
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat die Prüfung, ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann, abgeschlossen. Einen Abschlussbericht mit den wichtigsten Erkenntnissen hat das BMI heute veröffentlicht. Damit liegt eine umfassende Prüfung und rechtliche Bewertung vor. Über mögliche politische Schlussfolgerungen wird die künftige Bundesregierung zu entscheiden haben.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir haben die irreguläre Migration nach Deutschland durch ein starkes Bündel an Maßnahmen in den letzten zwei Jahren mehr als halbiert. Kooperationen mit Drittstaaten können ein weiterer Baustein sein, um irreguläre Migration zu begrenzen. Die Erfahrungen in Großbritannien zeigen aber auch, dass solche Versuche auch immense Kosten verursachen und auf ganzer Linie scheitern können. Das muss in eine realistische Betrachtung einfließen. Wie in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen, haben wir Modelle umfassend auf ihre rechtliche und praktische Umsetzbarkeit prüfen lassen. Dabei haben wir wissenschaftliche Expertise ebenso einbezogen wie die bisherigen Erfahrungen anderer Staaten und die Positionen internationaler Organisationen wie des UNHCR. Der Abschlussbericht zeigt: Entscheidend ist auch bei Kooperationen mit Drittstaaten ein eng abgestimmtes gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union.“
Der Abschlussbericht enthält die folgenden Schlussfolgerungen:
- Eine Umsetzung der Drittstaatenmodelle erfordert – je nach Modell – teils umfangreiche Rechtsänderungen in nationalen Gesetzen sowie im Recht der Europäischen Union.
- Das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) sieht ein sicheres Drittstaatenkonzept vor. Das GEAS knüpft die Anwendung des sicheren Drittstaatenkonzepts aber bisher an das Vorliegen eines Verbindungselements zwischen dem Asylantragsteller und dem Drittstaat (etwa familiäre Verbindungen oder vorheriger Aufenthalt in dem Drittstaat). Dieses Verbindungselement ist völkerrechtlich und in den EU-Verträgen nicht zwingend vorgegeben, kann also im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch den Rat und das Europäische Parlament auf Vorschlag der EU-Kommission geändert werden.
- Auch bei Streichung dieses Verbindungselements bestünden aber weiterhin hohe rechtliche Anforderungen an einen Drittstaat.
- Außerdem müssten sich Drittstaaten finden, die überhaupt zu einer solchen Zusammenarbeit bereit wären. Absehbar dürfte nur eine kleine Anzahl von Staaten in relevanten Regionen für ein Drittstaatenmodell in Frage kommen, weil dort die notwendigen Bedingungen weitestgehend erfüllt sind oder innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens erreicht werden könnten. Allerdings gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass diese Drittstaaten bereit wären, über eine entsprechende Kooperation zu verhandeln.
- Es bestehen erhebliche praktische Herausforderungen und Hürden, insbesondere mit Blick auf den Menschenrechtsschutz und Rechtstaatlichkeit im Drittstaat, und die Steuerungswirkung von Drittstaatenmodellen erscheint ungewiss. Eine Anwendung von Drittstaatmodellen auf eine Vielzahl von Asylantragstellernist auch bei Streichung des Verbindungselements unrealistisch.
Das BMI hat Möglichkeiten für Asylverfahren in Drittstaaten mit 23 nationalen und weiteren internationalen Expertinnen und Experten erörtert. Es haben vier Anhörungen sowie ein internationaler Austausch stattgefunden. Daran nahmen neben Migrations- und Rechtsexpertinnen und -experten auch Vertreterinnen und Vertreter von Dänemark, Großbritannien, der EU-Kommission sowie des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) teil. Bei der Auswahl der Sachverständigen wurden auch Vorschläge der Länder berücksichtigt. Die Sachverständigen decken ein breites Meinungsspektrum zu Migrations- und Rechtsfragen ab. Neben den Stellungnahmen der Sachverständigen hat das BMI auch einschlägige Rechtsprechung internationaler und deutscher Gerichte analysiert.
Anlässlich der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 20. Juni 2024 hatte die Bundesregierung bereits einen Sachstandsbericht mit Zwischenergebnissen sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen veröffentlicht.
Die Prüfung, die auf einen Beschluss der MPK zurückging, ist nun abgeschlossen. Auf EU-Ebene wird das Thema jedoch weiter diskutiert. Die EU-Kommission muss bis zum 12. Juni 2025 das im neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) vorgesehene sichere Drittstaatenkonzept überprüfen und gegebenenfalls rechtliche Änderungen hieran vorschlagen.
Den Abschluss- sowie den Sachstandsbericht und die Stellungnahmen der Sachverständigen finden Sie hier: www.bmi.bund.de/mpk-drittstaaten
BMI, 04.04.2025