Die rheinland-pfälzische Zentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus wird fünf Jahre alt. Sie wurde am 4. Dezember 2017 bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz eingerichtet. Hintergrund war die starke Zunahme der Zahl der Ermittlungsverfahren wegen terroristischer und extremistischer Tatvorwürfe seit dem Erstarken der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ in Syrien und dem Irak.


Hierzu erklärte Justizminister Herbert Mertin heute in Mainz im Rahmen einer Pressekonferenz: „Die Landeszentralstelle hat sich in den letzten fünf Jahren außerordentlich bewährt! Dies mag in der Öffentlichkeit bislang vielleicht gar nicht so bekannt sein. Denn die Strafverfolgung von staatsgefährdenden Delikten kann der Generalbundesanwalt aufgrund seines Evokationsrechts nach § 120 Absatz 2 Gerichtsverfassungsgesetz jederzeit übernehmen, wenn es zum Beispiel um Delikte geht, die geeignet sind, den Bestand oder die Sicherheit unseres Staates zu beeinträchtigen. Deshalb hat er auch das Verfahren gegen Verantwortliche der Chatgruppe „Vereinte Patrioten“ übernommen; es war ja die Entführung des Bundesgesundheitsministers geplant. In diesem und zahlreichen anderen Fällen haben die Kolleginnen und Kollegen der ZeT wegweisende Arbeit geleistet. Am Beispiel des genannten Ermittlungsverfahrens zeigt sich auch eine neue Tendenz des Rechtsextremismus: Personen, welche die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnen, sich aber keinem gängigen politischen Spektrum zuordnen lassen. Seit der Corona-Pandemie nehmen die Verfahren aus der Querdenker- und Reichsbürgerszene und seit Februar 2022 auch Verfahren wegen der Billigung des russischen Angriffs auf die Ukraine zu. In Anbetracht dieser Tendenzen steht die Landeszentralstelle für eine wirkungsvolle Strafverfolgung im Bereich Terrorismus und Extremismus. Sie genießt bundesweit einen exzellenten Ruf.“
Diesem Fazit stimmte auch Herr Generalstaatsanwalt Koblenz, Dr. Jürgen Brauer, zu: „Die Verfahren, die Verbrechen und Vergehen auf dem Gebiet des Staatsschutzes und des Extremismus zum Gegenstand haben, nehmen tendenziell zu: Im Jahr 2020 führte die ZeT 63 Ermittlungsverfahren in diesem Bereich, im Jahr 2021 81 und im Jahr 2022 bislang 68 Verfahren. Diese Verfahren betreffen insbesondere Vorwürfe der Terrorismusfinanzierung, der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, aber auch Waffendelikte. Einen großen Anteil nehmen mittlerweile auch Verfahren wegen Hass und Hetze im Internet ein.“


Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Ermittlungsverfahren wegen sog. Hassrede im Internet wurde die Zuständigkeit der ZeT im Juli 2021 erweitert. Seitdem ist die Landeszentralstelle auch zur Verfolgung herausgehobener Verfahren aus dem Bereich Hassrede im Internet landesweit zuständig.


„Die Entscheidung, die Zuständigkeit der Landeszentralstelle auf Hassrede im Internet zu erweitern, hat sich gerade in Anbetracht der Verfahren, die der ZeT im Zusammenhang mit ehrverletzenden Äußerungen im Internet nach der Tötung einer Polizeianwärterin und eines Polizeioberkommissars in Kusel vorgelegt wurden, als richtig erwiesen. Insoweit sind bislang 207 Verfahren gegen identifizierte Beschuldigte und weitere 104 Verfahren, in denen die oder der Beschuldigte bislang nicht identifiziert werden konnte, eingegangen.


In diesem Zusammenhang haben wir eine Gesetzesinitiative zum besseren strafrechtlichen Opferschutz in Fällen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener im Bundesrat eingebracht. Erfreulicherweise hat der Bundesrat mit breiter Mehrheit beschlossen, den Gesetzesentwurf beim Bundestag einzubringen.
„Die von uns vorgeschlagenen Regelungen wären eine echte Erleichterung sowohl für die emotional stark belasteten Angehörigen, als auch für die Strafverfolgungsbehörden“, betonte Minister Mertin. „Ich hoffe, dass der Bundesgesetzgeber die Problematik erkennt und im Interesse eines wirksamen Opferschutzes möglichst bald aufgreift.“

Information:
Die Landeszentralstelle für die Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus (ZeT) wurde zum 5.12.2017 bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz eingerichtet.

Ziel der Einrichtung der ZeT war es, bei einer spezialisierten, mit der entsprechenden Erfahrung ausgestatteten Einheit, die Strukturierung der Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften mit den Sicherheitsbehörden und die Kooperation der Staatsanwaltschaften untereinander und mit dem Generalbundesanwalt dauerhaft sicherzustellen.

Der Leiter der ZeT ist Herr Oberstaatsanwalt Christopher do Paço Quesado.

Die Zentralstelle ist mit einem Oberstaatsanwalt und einer Oberstaatsanwältin sowie zwei von den Staatsanwaltschaften Koblenz und Trier abgeordneten Staatsanwälten besetzt.

Information zur Gesetzesinitiative:
Nach dem Willen des Bundesrates soll die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (Paragraf 189 Strafgesetzbuch) künftig in bestimmten Fällen von Amts wegen strafrechtlich verfolgt werden können. Aktuell werden Taten gemäß Paragraf 194 („Strafantrag“) nur verfolgt, wenn ein Angehöriger der verstorbenen Personen dies beantragt.
Das setzt voraus, dass die antragstellende Personen die jeweiligen Äußerungen individuell zur Kenntnis nimmt, führt der Bundesrat in einem entsprechenden Gesetzentwurf (20/1975) aus. „Dies ist emotional hoch belastend und insbesondere, wenn es sich um eine Vielzahl solcher Äußerungen handelt, den Angehörigen nicht zumutbar“, heißt es weiter.
Der Bundesrat schlägt daher vor, den Paragrafen 189 nicht mehr als „absolutes Antragsdelikt“ auszugestalten und will dazu zwei Ergänzungen in Paragraf 194 vornehmen. Zum einen sollen Taten durch eine Ergänzung in Absatz 2 auch dann verfolgt werden können, „wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält“.
Zum anderen soll in Absatz 3 festgeschrieben werden, dass auch Dienstvorgesetzte von Verstorbenen antragsberechtigt sind, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen Amtsträger oder Soldaten handelt und die Tat „in Beziehung auf die Dienstausübung“ begangen wird. Entsprechend ergänzt werden soll auch der Paragraf 77a („Antrag des Dienstvorgesetzten“).
Als Anlass für den Gesetzesvorschlag führt die Länderkammer die Tötung einer Polizistin und eines Polizisten am 31. Januar 2022 bei Kusel in Rheinland-Pfalz an. Eine eingerichtete Ermittlungsgruppe habe mehr als 500 Hasskommentare in den sozialen Medien gefiltert, bei denen eine strafrechtliche Relevanz bejahrt worden sei. Darunter seien Fälle der Belohnung und Billigung von Straftaten sowie der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gewesen. „Auch die Angehörigen blieben nicht ausgenommen, sondern wurden mit Wünschen nach einer möglichst langen Trauerzeit konfrontiert“, heißt es weiter.
Der Bundesrat spricht sich in diesem Zusammenhang auch für eine Änderung des Antragscharakters aus, weil „das Phänomen der Nutzung sozialer Medien mit großer Reichweite, Schnelligkeit und Langlebigkeit der Äußerungsmöglichkeiten“ bei der Konzeption des Paragrafen noch unbekannt gewesen sei.
Die Bundesregierung zeigt sich in ihrer Stellungnahme offen für Änderungen, insbesondere befürworte sie die Einführung eines Strafantragsrechtes des letzten Dienstvorgesetzten. „Die Bundesregierung regt jedoch an, vor gesetzlichen Änderungen im Bereich der Beleidigungsdelikte das voraussichtlich im nächsten Jahr vorliegende Ergebnis des vom Bundesministerium der Justiz geförderten Projekts ‚Der strafrechtliche Umgang mit Hate Speech‘ der Universität Leipzig abzuwarten. In diesem Rahmen sollen auch Vorschläge für Anpassungen im materiellen Strafrecht an die Herausforderungen des neuen Phänomens des sog. digitalen Hasses formuliert werden“, heißt es weiter.

Quelle: Justizministerium Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 18. November 2022

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