Die Pressefreiheit ist weltweit auf einem historischen Tiefstand. Das zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (RSF) am 2. Mai 2025 veröffentlicht hat. In 90 von 180 beobachteten Ländern ist die Situation für Medienschaffende „schwierig“ oder „sehr ernst“. Dafür ist neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus vor allem der ökonomische Druck verantwortlich. Die RSF-Analyse zeigt, dass sich Medienschaffende und Redaktionen in allen Teilen der Welt zunehmend zwischen dem Streben nach redaktioneller Unabhängigkeit und ihrem wirtschaftlichen Überleben aufreiben.

„Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt nun in Staaten, in denen wir die Lage der Pressefreiheit als sehr ernst einstufen“, warnt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Autokraten ist unabhängiger Journalismus ein Dorn im Auge. Das wirkt sich auch auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit aus. Wenn Medien finanziell ausgetrocknet werden, wer deckt dann Falschinformationen, Desinformation und Propaganda auf? Neben unserem täglichen Kampf für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten setzen wir uns deshalb auch für eine Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen des Journalismus ein.“

In 160 Ländern können Medien kaum nachhaltig wirtschaften

Die Rangliste der Pressefreiheit bewertet die Situation in einem Land oder Territorium in den fünf Kategorien Politik, Recht, Wirtschaft, Soziokultur und Sicherheit. In der Kategorie Wirtschaft erzielen die Länder in ihrer Gesamtheit seit einigen Jahren die geringsten Werte. 

Die RSF-Daten zeigen: In 160 von 180 beobachteten Ländern und Territorien schaffen es Medien nur „mit Schwierigkeiten“ oder „überhaupt nicht“, stabil zu wirtschaften. In 46 Staaten konzentriert sich Medienbesitz in den Händen weniger Eigentümer. In manchen Ländern, etwa in Russland (Platz 171), wird die Medienlandschaft entweder vom Kreml oder von Kreml-nahen Oligarchen kontrolliert. In fast einem Drittel der Länder mussten Redaktionen im vergangenen Jahr aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Häufig ging der wirtschaftlichen Schieflage extremer Druck durch die Behörden voraus.

Neben teils lebenswichtigen Finanzhilfen durch internationale Programme der Entwicklungszusammenarbeit sind Medienhäuser in vielen Ländern zudem auf die Erlöse aus Anzeigen der öffentlichen Hand angewiesen. In beiden Feldern verhalten sich jedoch nicht nur autoritäre Regierungen weltweit zunehmend intransparent: In Ländern wie Ungarn (68) mischt sich der Staat durch die Zuteilung oder den Entzug von Anzeigen aktiv in die journalistische Arbeit ein. 

Dies alles geschieht in einer Zeit, in der die großen Tech-Unternehmen den Großteil der – weiter steigenden – Werbeeinnahmen auf sich vereinen. Trotz ihrer enormen Marktdominanz sind sie weitgehend unreguliert. Gerade Social-Media-Plattformen wie X tragen immer wieder zur Verbreitung von manipulierten oder irreführenden Informationen bei.

Deutschland rutscht aus den Top 10

Deutschland belegt auf der Rangliste der Pressefreiheit Platz 11, ein Rückschritt um einen Rang. Auch wenn Deutschland im globalen Vergleich gut dasteht, gibt es sichtbare Herausforderungen. Viele Medienschaffende bewegen sich in einem zunehmend feindlichen Arbeitsumfeld. Auch 2024 waren erneut diejenigen Journalistinnen und Journalisten gefährdet, die sich mit rechtsextremen Milieus und Parteien wie der AfD beschäftigten: Sie berichten von Feindmarkierungen, Bedrohungen, Beleidigungen und Angst vor körperlicher Gewalt. Auch auf redaktioneller Ebene verschärfte sich das Klima. RSF dokumentierte zahlreiche Fälle, in denen Medienschaffende über unverhältnismäßig hohe Hürden bei der Berichterstattung zum Nahostkonfliktberichteten.

Die wirtschaftliche Situation für Medienhäuser hat sich auch in Deutschland in den vergangenen Jahren spürbar verschlechtert. RSF setzt sich deshalb für Reformen ein, um diesen Trend aufzuhalten und die Medienvielfalt in Deutschland zu stärken. Dazu gehören neben einer Förderung des gemeinnützigen Journalismus auch eine plattformunabhängige Medienförderung und eine Reform des Medienkonzentrationsrechts.

Abstand zwischen der EU und dem Rest der Welt wird größer

Auf dem amerikanischen Kontinent stehen Journalistinnen und Journalisten unter wachsendem Druck. In mehr als der Hälfte der Länder hat sich die Lage der Pressefreiheit verschlechtert. Zwölf von 28 Staaten fallen in die beiden schlechtesten Wertungskategorien – dort ist die Lage für Medienschaffende schwierig oder sehr ernst. 

Größter Absteiger ist Argentinien (87): Präsident Javier Milei hat den öffentlichen Rundfunk zerschlagen, die staatliche Nachrichtenagentur Télam geschlossen und den Zugang zu öffentlichen Informationen eingeschränkt. Das gefährlichste Land für Journalistinnen und Journalisten bleibt Mexiko (124) – in keinem anderen Land außerhalb von Kriegsgebieten werden so viele Medienschaffende ermordet

In den USA (57) gibt sich die Trump-Regierung offen pressefeindlich und geht systematisch gegen kritische Berichterstattung und unliebsame Medien vor. Der Associated Press wurde der Zugang zum Weißen Haus verweigert, weil sie sich nicht nach der Wortwahl der Regierung richten will. Schon während des Wahlkampfes im vergangenen Jahr hatte Donald Trump Journalistinnen und Journalisten wiederholt angefeindet und mit Rache gedroht, sobald er im Amt ist. Das zwischen Regierung und Justiz heftig umkämpfte Ende der Finanzierung für US-Auslandssender wie Voice of America und Radio Free Europe/Radio Liberty(RFE/RL) könnte weltweit über 400 Millionen Menschen vom Zugang zu verlässlichen Informationen abschneiden. Zugleich hat die Trump-Regierung die Finanzhilfen der US-Entwicklungsbehörde USAID drastisch gekürzt. In der Folge bangen hunderte Redaktionen weltweit um ihre wirtschaftliche Grundlage. 

Direkt von der Aussetzung der USAID-Auslandshilfen betroffen sind unabhängige Medien in Osteuropa und Zentralasien. Die Entscheidung schwächt Redaktionen, die in den zunehmend autoritär regierten Ländern der Region oft auf ausländische Gelder angewiesen sind. Außerdem schränkt die geplante Einstellung der Finanzierung von RFE/RL die unabhängige Berichterstattung ein. In Zentralasien und Osteuropa ist das Medium bisher der größte Anbieter unabhängiger Informationen. In der Ukraine (62) sind etwa 90 Prozent der Redaktionen auf finanzielle Zuschüsse angewiesen, die bisher hauptsächlich aus den USA kamen. Dem stehen die gut finanzierten russischen Staatsmedien gegenüber, welche die Propaganda des Kreml verbreiten. 

In Georgien (114) wird der Werbemarkt vom Oligarchen und eigentlichen Machthaber Bidzina Iwanischwili kontrolliert, was unabhängige Medien von Werbeeinnahmen ausschließt. Darüber hinaus kriminalisiert ein Gesetz gegen „ausländische Einflussnahme“ die Annahme ausländischer Finanzhilfen. Unabhängige Berichterstattung über die seit Monaten anhaltenden Proteste gegen die Regierungspartei Georgischer Traum wird so – und wegen der brutalen Gewalt gegen Medienschaffende – immer schwerer.

Europa ist weiterhin jene Weltregion, in der Journalistinnen und Journalisten am freiesten berichten können. Es ist die einzige Region, in der Staaten mit „guter Lage“ der Pressefreiheit vertreten sind – es sind nur noch sieben. Estland (2) ist inzwischen das bestplatzierte EU-Land, direkt hinter Norwegen (1). In diesen Ländern profitieren Medienschaffende von stabilen demokratischen Strukturen, einer hohen gesellschaftlichen Wertschätzung unabhängiger Medien und einem starken rechtlichen Schutz der Pressefreiheit. Beide Staaten verfügen über ein effektives Auskunftsrecht, das journalistische Recherchen erheblich erleichtert. Stark aufgestiegen ist Polen (31): Dort hat sich nach der Abwahl der PiS-Partei im Jahr 2023 das Klima für den Journalismus verbessert – unter anderem gibt es weniger missbräuchliche Klagen gegen Journalistinnen und Journalisten.

Doch selbst innerhalb der Europäischen Union und auf dem westlichen Balkan sind die Herausforderungen groß – so stecken etwa in der Slowakei (38) die öffentlich-rechtlichen Medien in einer existenziellen Krise. Strukturelle Verbesserungen, die durch den European Media Freedom Act (EMFA) EU-weit vereinbart wurden, werden noch nicht in allen Ländern konsequent umgesetzt.

Im südlichen Teil Afrikas hat sich die Situation der Presse deutlich verschlechtert. Eritrea (180) bleibt das Schlusslicht auf der Rangliste der Pressefreiheit. In 80 Prozent aller Länder dieser Region hat sich die wirtschaftliche Lage für Medien zugespitzt. Dies betrifft etwa den Sudan (156) und Mali (119). Medien sind gezwungen, sich selbst zu zensieren, zu schließen oder ins Exil zu gehen. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo (133) mussten dutzende Radiostationen schließen, Medienschaffende flohen vor anhaltenden Attacken und sind in der Folge arbeitslos geworden.

Auch in der Region Asien-Pazifik arbeiten Journalistinnen und Journalisten unter schwierigsten Bedingungen. In 17 der 32 Staaten ist die Gesamtpunktzahl gefallen. 13 Länder liegen inzwischen im dunkelroten Bereich. Dort gilt die Lage der Pressefreiheit als „sehr ernst“. Neu in dieser Kategorie ist Hongkong (140), wo ein weiteres Sicherheitsgesetz in Kraft getreten istChina (178) fällt auf den drittletzten Platz. Mindestens 113 Medienschaffende sitzen dort in Haft, mehr als in jedem anderen Land. In einigen Ländern kontrolliert eine Handvoll Konglomerate mit Verbindungen in die Politik die meisten Medienkonzerne – etwa in Indien (151). In Südostasien rutschen Indonesien (127) und Kambodscha (161) ab. Dort hat sich insbesondere die Sicherheit für Journalistinnen und Journalisten verschlechtertBangladesch (149) ist um 16 Plätze aufgestiegen. Dort trat 2024 Premierministerin Sheikh Hasina nach Massenprotesten zurück. Sie stand auf der RSF-Liste der größten Feinde der Pressefreiheit weltweit.

Die gefährlichste Region weltweit für Medienschaffende bleibt die Region Naher Osten und Nordafrika. In Gaza wurden fast 200 Journalistinnen und Journalisten bei Angriffen der israelischen Armee getötet, fast 50 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Kein anderer Krieg ist für Medienschaffende so gefährlich wie dieser. Die Palästinensischen Gebiete stehen auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 163, Israel ist auf Rang 112 gesunken. Außer in Katar (79) ist in jedem anderen Land der Region die Lage „sehr ernst“ oder „schwierig“, so etwa in Tunesien (129). Dort übt die Regierung von Präsident Kais Saied weiter hohen politischen Druck auf unabhängige Medien aus.

Rangliste der Pressefreiheit stützt sich auf fünf Indikatoren 

Seit dem Jahr 2002 vergleicht Reporter ohne Grenzen mit der Rangliste der Pressefreiheit die Situation für Journalistinnen, Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Die Rangliste stützt sich auf die Indikatoren politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, wirtschaftliches Umfeld, soziokultureller Kontext sowie Sicherheit. Ausführliche Informationen zur Methodik, den Fragebogen sowie ein Archiv aller bisher erschienenen Ranglisten erhalten Sie auf der Themenseite zur Rangliste der Pressefreiheit: www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste

RSF, 02.05.2025

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