Das Sozialgericht München hat entschieden, dass die gewerbliche Vermittlung von Videosprechstunden grundsätzlich zulässig ist, aber klare Grenzen einhalten muss – etwa bei Werbung, Auswahl der behandelnden Ärzte und dem Umgang mit Patientendaten. Der Slogan „Tschüss Wartezimmer“ wurde ebenso beanstandet wie die zentrale Speicherung von Gesundheitsdaten durch das Vermittlungsunternehmen.

    In einer grundlegenden Entscheidung hatte das Sozialgericht München das Angebot eines Unternehmens zur gewerblichen Vermittlung von ärztlichen Videosprechstunden zu beurteilen und hat dabei zum Spannungsfeld von technischem Fortschritt und den bestehenden rechtlichen Vorgaben für die ärztliche Versorgung gesetzlich versicherter Personen Stellung genommen.

    Die fortschreitende Digitalisierung macht auch vor dem höchstpersönlichen Verhältnis von Patienten und Arzt nicht halt. Wer selbst schon einmal lange auf einen Arzttermin warten musste und sich dann in einem überfüllten Wartezimmer wiedergefunden hat, wird dem Slogan „Tschüss Wartezimmer. Hallo Online-Arzt“ durchaus etwas abgewinnen können. Mit diesem Slogan hatte das beklagte Unternehmen des Rechtsstreits für sein Angebot geworben. Das Unternehmen bietet selbst keine ärztlichen Leistungen an, es vermittelt aber für gesetzlich und privat versicherte Patienten den Zugang zu Videosprechstunden von Ärzten, die damit eine Sprechstunde ohne Wartezeiten anbieten können. Gegen einzelne Bestandteile der Geschäftstätigkeit hatte die Kassenärztliche Vereinigung geklagt, weil sie sich in ihrem Sicherstellungsauftrag für die ärztliche Versorgung beeinträchtig sah. In seiner Entscheidung hat das Sozialgericht München nun zu vielen Einzelfragen des Geschäftsmodells Stellung genommen.

    Dabei stand bei allen Beteiligten die grundsätzliche Zulässigkeit einer telemedizinischen Behandlung nicht in Frage. Im Rahmen einer Videosprechstunde können grundsätzlich auch Rezepte und Krankschreibungen ausgestellt werden. Beanstandet wurde vom Gericht jedoch der „Tschüss Wartezimmer“-Slogan, denn mit ihm würde bei Patienten möglicherweise der Eindruck erweckt, dass eine Behandlung per Videosprechstunde in jedem Fall erfolgreich sein würde. Ob ein Krankheitsbild einer solchen Behandlung zugänglich ist, kann aber die Ärztin oder der Arzt erst nach durchgeführter Anamnese beurteilen. Hinweise, die bei Patienten möglicherweise irreführende Erwartungen auf unproblematische ärztliche Therapien erwecken können, müssen grundsätzlich unterlassen werden, so das Gericht.

    In seiner Entscheidung wies das Gericht auch darauf hin, dass die Vermittlung der Videosprechstunden die freie Arztwahl der Patienten nicht beeinträchtigen dürfe. Das Unternehmen dürfe nicht selbst den betreffenden Arzt auswählen. 

    Soweit das Unternehmen die Möglichkeit anbietet, die erhobenen Daten einschließlich der Diagnosen und Verordnungen zentral elektronisch zu speichern, so wurde dies vom Gericht als unzulässige Patientenakte beanstandet. Das Unternehmen sei als Videodienstanbieter selbst dann nicht zur Führung einer solchen Akte befugt, wenn Arzt und Patienten dem zugestimmt hätten.

    (Sozialgericht München, Aktenzeichen S 56 KA 325/22 – nicht rechtskräftig)

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