Die 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück, die unter anderem für Rechtsstreitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen zuständig ist, hat die Klage einer Insolvenzverwalterin gegen den Versicherer der Insolvenzschuldnerin, einer Restaurantbetreiberin, auf Leistungen aus der bestehenden Sachversicherung mit Urteil vom 24. Mai 2023 abgewiesen, vgl. Geschäftszeichen 9 O 3254/21.
Am 15. Januar 2018 wurde durch ein Feuer die Inneneinrichtung des in Osnabrück gelegenen Restaurants der Versicherungsnehmerin erheblich beschädigt. Der Schaden wurde durch einen von der Versicherungsnehmerin beauftragten Sachverständigen mit circa EUR 640.000,00 beziffert. Es bestand der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung. In einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Osnabrück wurde ein Dritter, der der Brandlegung verdächtigt wurde, freigesprochen. Die Versicherungsnehmerin zeigte gegenüber ihrem Versicherer den Vorfall unmittelbar an, welcher ihr mit Schreiben vom 6. März 2018 zur weiteren Bearbeitung des Vorgangs einen Katalog mit 20 Fragen übersandte. Die Betreiberin des Restaurants beauftragte zunächst ein Unternehmen mit der Regulierung des Schadensfalls. Anschließend ließ sie sich durch mehrere Rechtsanwälte vertreten. Mit Schreiben vom 1. August 2018 beantwortete ein Rechtsanwalt die Fragen des Versicherers. Da nach Auffassung des Versicherers die Fragen teilweise nicht und teilweise unvollständig beantwortet worden waren, setzte er seiner Versicherungsnehmerin eine Frist zur ergänzenden Beantwortung. Er wies auf die Regelung zu § 28 Abs. 2 VVG hin, wonach eine Leistungskürzung oder eine Ablehnung der Einstandspflicht möglich ist, wenn der Versicherungsnehmer seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Schadensfalls nicht nachkommt. Eine weitergehende Beantwortung der seitens des Versicherers gestellten Fragen erfolgte nicht. Unter dem 21. November 2018 erklärte dieser, dass er die Deckung des Schadens ablehne, da die Versicherungsnehmerin ihrer Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Hiergegen wendet sich die Versicherungsnehmerin und fordert von ihrem Versicherer die Zahlung von EUR 632.090,28.
Die 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat die Klage nunmehr abgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Versicherungsnehmerin vorsätzlich ihrer Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Sie habe nicht unverzüglich die Fragen ihres Versicherers beantwortet, die nach Auffassung der Kammer zulässig seien. Eine Frage an den Versicherungsnehmer sei zulässig, wenn die Beantwortung der Frage für die Einschätzung des Versicherers, ob eine Einstandspflicht bestehe, von Relevanz sein könnte. Nicht erforderlich sei, dass die Beantwortung der Fragen sich tatsächlich als wesentlich erweise. Auch habe die Versicherungsnehmerin Angaben zu machen, durch die sie sich selber belasten könnte. Der im Strafrecht geltende Grundsatz „nemo tenetur“, wonach sich niemand selbst zu belasten brauche, gelte im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht.
Die Versicherungsnehmerin habe auch vorsätzlich gehandelt, da für sie aufgrund der Nachfrage des Versicherers erkennbar gewesen sei, dass die von ihrem Bevollmächtigen erteilten Auskünfte im Jahr 2018 nicht ausreichend gewesen seien. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Versicherungsnehmerin nach der Aufforderung des Versicherers, die Fragen ergänzend zu beantworten, weitere 3 Monate Zeit gehabt habe, dieser Aufforderung nachzukommen. Dieser Zeitraum lasse nur den Rückschluss zu, dass die Versicherungsnehmerin die Fragen nicht vollständig und nicht zutreffend beantworten wollte.
Der Versicherungsnehmerin sei auch bewusst gewesen und sie habe es auch gewollt, dass die fehlende beziehungsweise unzureichende Beantwortung der Fragen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls beziehungsweise den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers habe oder haben könnte. Hierbei sei nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung im Raum gestanden habe und auch gegen eine Person im näheren Umfeld der Versicherungsnehmerin ermittelt worden sei. Die Versicherungsnehmerin habe durch die unzureichende Beantwortung der Fragen versucht, den Verlust ihres Leistungsanspruches zu minimieren. Ob daher die Verletzung der Mitwirkungspflicht für die Feststellung der Einstandsplicht beziehungsweise des Umfangs des Schadensfalls ursächlich sei, könne daher dahinstehen, vgl. § 28 Abs. 3 VVG.Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Entscheidung kann binnen einer Frist von einem Monat mit der Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg angegriffen werden.