Justizminister Roman Poseck erklärt zur Aufhebung von Haftbefehlen durch das Oberlandesgericht Frankfurt:

„Die Ursachen für die Aufhebung der Haftbefehle wegen eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot liegen im ausschließlichen Verantwortungsbereich des Landgerichts Frankfurt. Dies stellt das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung deutlich heraus. Das Gericht spricht von „Unstimmigkeiten zwischen Strafkammer und Präsidium“, die sich nicht zu Lasten der Angeklagten auswirken dürften.

Die zuständige Kammer hatte gegenüber dem Präsidium angegeben, überlastet zu sein und deshalb darum ersucht, dass das Verfahren einer anderen Kammer zugewiesen wird. Das Präsidium ist dem nicht gefolgt, da es mehrheitlich zu der Überzeugung gelangt ist, dass eine Überlastung der Kammer nicht gegeben ist. Das Verfahren ist deshalb im Zuständigkeitsbereich der Kammer verblieben.

Die Priorisierung und Terminierung von Verfahren durch die Strafkammer sowie die Entscheidungsfindung des Präsidiums unterfallen der richterlichen Unabhängigkeit, die Verfassungsrang genießt. Auch das Oberlandesgericht hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass eine Einflussnahme von außen nicht möglich ist. Das Oberlandesgericht hat insoweit auch ausdrücklich offen gelassen, ob das Präsidium die Überlast zu Recht verneint hat oder die Kammer zu Recht eine Überlastung angenommen hat. In jedem Fall dürften die gerichtsinternen Unstimmigkeiten nicht zu Lasten der Angeschuldigten gehen.

Das Ministerium hat in einem Fall wie dem vorliegenden keinerlei Einflussmöglichkeiten. Auch mir ist eine Bewertung, ob die Kammer überlastet ist oder nicht, verwehrt. Jeder Versuch, auf die Kammer oder das Präsidium Einfluss zu nehmen, käme einem Verfassungsverstoß gleich. Ich habe immer wieder deutlich gemacht, zuletzt auch in meiner Regierungserklärung am 18. Juli, dass die Ursachen für Haftbefehlsaufhebungen vielschichtig sind und diese außerhalb jeglicher Einflusssphäre des Ministeriums liegen können.

Im Unterschied zu Fällen des vergangenen Jahres besteht in diesem Fall kein Zusammenhang zur allgemeinen Belastungssituation des Landgerichts Frankfurt. Auch der Entscheidung des Oberlandesgerichts lässt sich – anders als in früheren Entscheidungen – keinerlei Hinweis auf einen solchen Zusammenhang entnehmen.

Das Landgericht Frankfurt ist personell gut ausgestattet. Die Belastungsquote der Richterinnen und Richter hat 2022 bei 98,71% gelegen. Sie ist aufgrund massiver personeller Unterstützungsmaßnahmen gegenüber früheren Jahren deutlich zurückgegangen (2020: 119,05%; 2021: 111,80%).

Das Landgericht Frankfurt ist personell in den letzten Jahren massiv verstärkt worden. Zwischen 2017 und 2022 ist das Gericht mit 17 zusätzlichen Richterstellen ausgestattet worden. Mit dem Haushalt 2023 hat das Landgericht noch einmal sechs zusätzliche Richterstellen, darunter zwei Vorsitzendenstellen, erhalten.

Unter Einbeziehung der neuen Stellen des Haushalts 2023 weist das Landgericht Frankfurt aktuell einen Stellenbesetzungsgrad von 96,06% auf. Nach den Entscheidungen des Richterwahlausschusses in der Sitzung vom 11. Juli werden dem Gericht bis Mitte August noch einmal 4,25 Arbeitskraftanteile zusätzlich zugewiesen werden können, woraus sich dann ein Stellenbesetzungsgrad von 98,72% ergeben wird. Auch die neuen Stellen aus dem Haushalt 2023 sind damit bereits in der Mitte des Jahres ganz überwiegend besetzt.

Die Obleute des rechtspolitischen Ausschusses habe ich heute Morgen gegen 8:30 Uhr ausführlich über Hintergründe des Falles informiert.“

(c) HMdJ, 24.07.2023

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