Die Baustellen im Justizbereich sind zahlreich. Gerade mit Investitionen in die Digitalisierung könnte der Apparat viel besser funktionieren, so Sven Rebehn, Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes.

SPD, Grüne und FDP loten in diesen Tagen die Schnittmengen für eine neue Bundesregierung aus. Während in der Klima-, Sozial- und Finanzpolitik breitere Gräben zu überwinden sind, birgt die Innen- und Rechtspolitik weniger Konfliktpotenzial. So stimmen die Parteien darin überein, dass die Modernisierung des Staates nach den Erfahrungen aus der Pandemie eine zentrale Aufgabe sein muss. In der Tat braucht es eine Investitions- und Innovationsoffensive, die auch den staatlichen Kernbereich der Justiz besonders in den Blick nehmen sollte. Notwendig ist ein „Digitalpakt für den Rechtsstaat“, der die Justiz bis 2025 technisch und personell auf die Höhe ihrer Aufgaben bringt.

Die Baustellen sind zahlreich. In vielen Gerichten und Staatsanwaltschaften ist ein Modernisierungsstau entstanden, wie die Corona-Pandemie in aller Schärfe gezeigt hat. Wenngleich viele Länder inzwischen umgesteuert und kräftig in ihre Justiz-IT investiert haben, wird es ohne ein höheres Innovations- und Investitionstempo kaum gelingen, den Umstieg auf eine flächendeckend digitalisierte Justiz rechtzeitig bis zum Starttermin der E-Akte am 1. Januar 2026 gut zu bewältigen. Es gilt zum Beispiel massiv in Hardware und E-Akten-Software, in Breitbandanschlüsse und Videotechnik sowie in den Aufbau bürgerfreundlicher Klage-Tools und Online-Verfahren zu investieren. Wichtig ist zudem, dass die Justiz weitaus attraktiver für IT-Spezialisten wird, die an allen Ecken fehlen.

Aber auch in anderen Bereichen ist die personelle Lage angespannt. Nach einem Stakkato neuer Strafgesetze arbeiten insbesondere die Strafgerichte und Staatsanwaltschaften nach wie vor am Limit und haben mit steigenden Verfahrenslaufzeiten zu kämpfen. Die Entlastungseffekte der mit dem ersten Bund-Länder-Rechtsstaatspakt von 2019 geschaffenen zusätzlichen Stellen sind überschaubar geblieben, weil zahlreiche neue bundesgesetzliche Aufgaben die Stellenzuwächse wieder aufgezehrt haben.

Auch in der Strafjustiz könnte moderne Technik helfen, die Probleme zu lindern. Es fehlt den Strafverfolgern vielfach noch an innovativen Werkzeugen zur Datenauswertung, sodass die Ermittler mit der Bewertung gesicherter Dateien häufig kaum hinterherkommen. Vielversprechende Modellprojekte – zum Beispiel der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Vorprüfung von Kinderporno-Dateien, die im Test eine Trefferquote von mehr als 90 Prozent erreichte – sollten schrittweise ausgebaut und bei Serienreife bundesweit eingeführt werden.

Quelle: Ein Beitrag von Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, für den Weser-Kurier., veröffentlicht am 01. November 2021

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