Erfurt, 13. November 2025 (JPD) – Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Tarifvertragsparteien keine vorrangige Möglichkeit zur Korrektur diskriminierender Tarifnormen haben, wenn diese gegen unionsrechtlich überformte Diskriminierungsverbote – etwa nach § 4 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) – verstoßen. Eine solche tarifliche Regelung ist gemäß § 134 BGB nichtig, und der betroffene Arbeitnehmer kann unmittelbar eine Gleichbehandlung mit vergleichbaren Dauerbeschäftigten verlangen.

BAG: Kein Vorrang der Tarifautonomie bei unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten

Im zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit Juni 2019 bei einem bundesweit tätigen Logistikunternehmen zunächst befristet und ab Juni 2020 unbefristet beschäftigt. Der Haustarifvertrag des Unternehmens sah vor, dass für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni 2019 neu begründet wurde, längere Laufzeiten für den Aufstieg in höhere Entgeltstufen gelten. Der Kläger machte geltend, diese Regelung benachteilige zuvor befristet Beschäftigte entgegen § 4 Abs. 2 TzBfG.

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Revision der Arbeitgeberin zurück. Die tarifliche Differenzierung verletze das unionsrechtlich geprägte Verbot der Diskriminierung befristet Beschäftigter. Die von der Beklagten angeführten sachlichen Gründe rechtfertigten die Ungleichbehandlung nicht. Betroffene Arbeitnehmer haben daher Anspruch auf dieselben, kürzeren Gruppenstufenlaufzeiten wie vergleichbare unbefristet Beschäftigte.

Nach Auffassung des BAG müssen Gerichte bei unionsrechtlich bestimmten Gleichbehandlungsgeboten eine vollständige inhaltliche Kontrolle vornehmen. Eine vorherige Gelegenheit der Tarifvertragsparteien zur Korrektur – wie sie bei allgemeinen Gleichheitsverstößen nach Art. 3 Abs. 1 GG mitunter geboten sein kann – sei in diesen Fällen nicht erforderlich. Unionsrechtlich überformte Diskriminierungsverbote hätten eine unmittelbare Abschreckungs- und Durchsetzungsfunktion, die eine nachträgliche Tarifkorrektur nicht voraussetze.

Das Urteil (Az. 6 AZR 131/25) verdeutlicht, dass Tarifautonomie dort ihre Grenzen findet, wo unionsrechtliche Diskriminierungsverbote greifen.

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