Berlin, 22. August 2025 (JPD) – Die 29. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin (Schwurgerichtskammer) hat am Freitag einen 78-jährigen Facharzt für Anästhesie wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen und gegen ihn ein lebenslanges Tätigkeitsverbot verhängt. Vom Vorwurf des versuchten Mordes sprach das Gericht den Angeklagten frei.

    Nach den Feststellungen des Gerichts hatte sich die Patientin am 27. Januar 2020 wegen Rückenbeschwerden in die Praxis eines Orthopäden in Berlin-Kreuzberg begeben. Dort wurde der Angeklagte hinzugezogen, um auf Wunsch der Frau eine Sedierung vorzunehmen. Dabei klärte er die erkennbar adipöse Patientin nicht über die besonderen Risiken einer Sedierung auf und unterließ es, ihre Körper- und Vitalfunktionen zu überwachen. In der Folge erlitt die Frau einen Atem- und Herzstillstand, den der Angeklagte nicht rechtzeitig erkannte. Auch nach Eintritt des kritischen Zustands reagierte er nicht sofort. Erst durch die Hilferufe der Tochter, die das Geschehen durch ein Schlüsselloch beobachtet hatte, kamen weitere Ärzte hinzu, reanimierten die Patientin und setzten einen Notruf ab. Gegenüber der eintreffenden Notärztin machte der Angeklagte bewusst falsche Angaben. Die Patientin erlitt durch den Atemstillstand einen schweren Hirnschaden und starb am 28. April 2020 im Krankenhaus an den Folgen einer Infektion.

    Die Vorsitzende Richterin betonte in der Urteilsbegründung, es habe sich nicht um einen Unglücksfall gehandelt. Der Angeklagte habe aus Selbstüberschätzung grundlegende medizinische Standards missachtet und gegen fachärztliche Regeln verstoßen. Die Sedierung sei zwar auf Wunsch der Patientin erfolgt, ein rechtfertigendes Einverständnis liege aber nicht vor, da die Risiken verschwiegen worden seien. Ein Tötungsvorsatz sei nicht nachweisbar, weshalb ein Freispruch im Anklagepunkt des versuchten Mordes erfolgte. Die Pflichtverletzungen seien jedoch so gravierend, dass der Angeklagte für den Tod der Frau verantwortlich sei; sein Handeln sei als vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge zu bewerten.

    Darüber hinaus verhängte das Gericht ein lebenslanges Verbot, als Anästhesist tätig zu sein. In der Anästhesie seien Notfallsituationen stets möglich, es gehöre zum Kern der Tätigkeit, schnell auf Krisen zu reagieren. Der Angeklagte habe gezeigt, dass er dieser Verantwortung nicht gerecht werde.

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte kann Revision einlegen. Das Berufsverbot tritt erst mit der Rechtskraft der Entscheidung in Kraft.

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