
Das Bundeskartellamt hat in seinem Jahresbericht 2024/25 zentrale Entwicklungen bei der Kontrolle großer Digitalkonzerne, der Kartellverfolgung und Fusionskontrolle vorgestellt. Präsident Andreas Mundt betont die Bedeutung wirksamen Wettbewerbs für Innovation, faire Preise und eine stabile Marktwirtschaft – insbesondere auch im Bereich KI, Fernwärme und dem Mineralölsektor.
Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, hat heute den „Jahresbericht 2024/25“ der Behörde vorgestellt.
Andreas Mundt: „Wettbewerb bleibt der unverzichtbare Treiber unserer marktwirtschaftlichen Ordnung. Wachstum kann nur im offenen Wettbewerb entstehen, der Innovationen fördert und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärkt. Ob Digitalwirtschaft, Benzinpreise oder Lebensmittel – eine nachhaltige und positive Entwicklung gelingt nur, wenn Unternehmen fair und transparent um die besten Lösungen konkurrieren. Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren von Vielfalt, Qualität und fairen Preisen – das ist die Grundlage für eine starke und gerechte Wirtschaft
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Digitalwirtschaft und KI
Mit Verfahren gegen die großen Tech-Konzerne hat das Bundeskartellamt wegweisende Entscheidungen getroffen.
Andreas Mundt: „Deutschland verfügt über eine lebendige Start-Up-Kultur im Bereich von KI und Digitalwirtschaft. Diese jungen und innovativen Unternehmen bieten verschiedene Dienste an. Die großen von § 19a GWB erfassten Digitalunternehmen stellen die hierfür benötigte Plattformen und Rechenleistung zur Verfügung. Mit dem Digital Markets Act (DMA) auf europäischer Ebene und dem § 19a GWB auf nationaler Ebene stellt das Wettbewerbsrecht sicher, dass diese Zukunftsmärkte weiterhin für neue Anbieter und Wettbewerber offengehalten werden. Von den hierdurch eröffneten Möglichkeiten haben wir im vergangenen Jahr auch Gebrauch gemacht und unsere vorläufige rechtliche Einschätzung zu Apples sog. App Tracking Transparency Framework (ATTF) und zu Amazons sog. Preiskontrollmechanismen abgegeben. Mit den Verfahrensabschlüssen bei Google Automotive Services und Google Maps Platform haben wir bereits spürbare Verbesserungen für den Wettbewerb erreichen können
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Im September 2024 hat das Bundeskartellamt rechtskräftig festgestellt, dass auch Microsoft ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung ist (§ 19a GWB). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof die Einschätzung des Bundeskartellamtes bestätigt und Amazon (April 2024) und Apple (März 2025) als Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb gem.
§ 19a GWB eingestuft.
Kartellverfolgung
2024 hat das Bundeskartellamt rund 26 Mio. Euro Bußgelder gegen sechs Unternehmen und eine natürliche Person verhängt. Betroffene Sektoren waren Schutzbekleidung, Telekommunikation und Netzwerktechnik, Bauleistungen sowie Straßenreparaturen. Rund 53,7 Mio. Euro Bußgelder einschließlich Zinsen wurden vereinnahmt.
Andreas Mundt: „Die Zahl der abgeschlossenen Verfahren ist im Jahr 2024 wieder angestiegen. Dies spiegelt sich auch in der gestiegenen Zahl der Bußgelder wieder. Die Zahl der Durchsuchungen hat sich mit insgesamt 11 Durchsuchungen deutlich erhöht. Wir haben von Straßenbau über Netzwerktechnik bis zu Schutzkleidung alle Branchen im Blick und durch unsere moderne IT auch die Möglichkeit zu einer systematischen Beobachtung der Märkte. Viele der neu eröffneten Verfahren wurden durch Hinweise an unsere externe Meldestelle in Gang gesetzt. Diese erweist sich somit als wertvolle Ergänzung der Kronzeugenanträge, von denen im vergangenen Jahr 17 bei uns eingegangen sind. Insgesamt ist bei der Kartellverfolgung eine erfreuliche Trendwende zu sehen. Wir lassen nicht locker und haben weitere große Verfahren in der Pipeline
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In der ersten Jahreshälfte 2025 wurden bisher drei Durchsuchungen durchgeführt. Es wurden zehn Mio. Euro Bußgelder verhängt und ca. 16 Mio. Euro Bußgelder inklusive Zinsen aus vergangenen Verfahren vereinnahmt.
Fusionskontrolle
Das Bundeskartellamt hat 2024 rund 870 Fusionen geprüft. Neun Zusammenschlüsse wurden in der sogenannten zweiten Phase vertieft geprüft. Vier der vertieft geprüften Vorhaben wurden zurückgenommen, unter anderem eine Fusion im Bereich von Crashtest-Dummies. In der ersten Jahreshälfte 2025 wurde das Vorhaben der Tönnies International Management GmbH (heute Premium Food Group) untersagt, mehrere Unternehmen und Beteiligungen von der Vion GmbH und der Vion Beef B.V., insbesondere die Schlachthöfe in Buchloe, Crailsheim und Waldkraiburg, zu erwerben. Ebenfalls untersagt wurde der Zusammenschluss der Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim. Da dieser Zusammenschluss inzwischen in den Anwendungsbereich des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) fällt, kann es trotz der weiterhin bestehenden Bedenken des Bundeskartellamtes freigegeben werden. Drei weitere Vorhaben wurden nach intensiven Prüfverfahren als wettbewerblich unbedenklich freigegeben.
Andreas Mundt: „Unsere Fälle zeigen die weiterhin ungebrochenen Bedeutung der Fusionskontrolle für einen funktionierenden Wettbewerb. Dieser ist die Grundvoraussetzung für eine gesunde und stabile Marktwirtschaft. Keineswegs stellt sich das Bundeskartellamt hier der Entstehung neuer nationaler Champions in den Weg. Ganz im Gegenteil: Es ist unsere feste Überzeugung, dass es überhaupt nur in einem aktiven Wettbewerbsumfeld möglich ist, zu einem solchen Champion zu werden. Denn nur durch aktive Wettbewerber werden die heimischen Unternehmen zu innovativen Höchstleistungen angespornt. Daher warne ich auch vor einer übereilten Aufladung der Fusionskontrolle mit politischen Inhalten. Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme wurden sicherlich nicht durch ein Zuviel an Wettbewerb hervorgerufen.“
Sektoruntersuchung Mineralöl
Im Februar 2025 hat das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung im Mineralölbereich mit dem Fokus auf Raffinerien und Großhandel abgeschlossen. Im Ergebnis wurden schwierige Bedingungen für den Wettbewerb und eine hohe Markttransparenz auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette festgestellt. Die Märkte weisen eine hohe Importabhängigkeit beim Bezug von Rohöl auf und sind von gegenseitigen Abhängigkeiten der Marktteilnehmer geprägt.
Andreas Mundt: „Die Sektoruntersuchung im Bereich Mineralöl hat insbesondere zwei schwerwiegende Probleme aufgedeckt. Zum einen spielen Preisnotierungen über mehrere Stufen des Wettbewerbes eine Rolle. Die in Deutschland verwendeten Preisnotierungen werden aber maßgeblich von nur zwei Anbietern herausgegeben. Zum anderen sind die immer häufigeren Preisänderungen an der Zapfsäule ein zunehmendes Problem für die Verbraucherinnen und Verbraucher, da diesen eine sinnvolle Nutzung von Preisvergleichenden Apps zunehmend unmöglich gemacht wird.
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Aufgrund der Sektoruntersuchung im Bereich Mineralöl hat das Bundeskartellamt von dem im der letzten GWB-Novelle eingeführten Instrument des § 32f Abs. 3 GWB Gebrauch gemacht und prüft nun, ob auf dem Mineralölmarkt der Wettbewerb erheblich und fortwährend gestört ist. Hierauf können weitere Maßnahmen folgen.
Fernwärme und Energiepreisbremsen
Das Bundeskartellamt führt aktuell sieben Pilotverfahren gegen Fernwärmeversorger. Die Behörde überprüft dabei, ob die sogenannten Preisanpassungsklauseln zulässig verwendet wurden.
Andreas Mundt: „Unsere bisherigen Verfahrensergebnisse im Bereich Fernwärme machen deutlich, dass eine intensivere Befassung mit dem Fernwärmesektor geboten ist. Angesichts der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Netze wäre eine echte Regulierung de facto unmöglich. Für eine auf Dauer angelegte und wirkungsvolle Kontrolle wären gesetzliche Konkretisierungen allerdings eine große Hilfe. Wir brauchen Transparenz nicht nur über die Preise, sondern vor allem über die Kosten der Unternehmen, klare Vorgaben zur Preisgestaltung und eine Stärkung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht in diesem Bereich.“
Weiterhin tätig ist das Bundeskartellamt im Bereich der Energiepreisbremsen. Die Energiepreisbremsengesetze galten im gesamten Jahr 2023 und sind Ende 2023 ausgelaufen. Die Gesetze verboten den Energieversorgungsunternehmen unter anderem, die Entlastungsregeln für private Haushalte und Unternehmen durch ihre Preisgestaltung zulasten des Staates missbräuchlich auszunutzen. Eine abschließende Beurteilung wird erst nach den sogenannten Endabrechnungen der Unternehmen in diesem Jahr möglich sein.
Vergabekammern und Wettbewerbsregister
Das Wettbewerbsregister ist eines der ersten volldigitalen Register der öffentlichen Verwaltung. Über Schnittstellen erfolgen die stetige Mitteilung von relevanten Rechtsverstößen durch zuständige Behörden, wie Staatsanwaltschaften, Zoll, Finanzämter oder Kartellbehörden, als auch täglich über 1.000 Abfragen durch öffentliche Auftraggeber. Im Jahr 2024 waren 19.700 Unternehmen im Wettbewerbsregister eingetragen, davon 8.250 Neueintragungen.
Auch bei den Vergabekammern des Bundes ist nach dem Rückgang während der Corona-Pandemie eine Trendwende erkennbar: 2024 wurden 124 Nachprüfungsanträge gestellt und 55 Sachentscheidungen getroffen.
Bundeskartellamt, 09.07.2025