„Die Gerichte in Hessen verurteilten im vergangenen Jahr fast 28.000 Menschen zu einer Geldstrafe. Einige Verurteilte können oder wollen diese Strafe nicht bezahlen. Alternativen zur Geldstrafe sind deshalb unerlässlich. Der Verein ‚Eingliederungshilfe Marburg e.V.‘ leistet an dieser Stelle seit vielen Jahren wertvolle Arbeit, weil er das Ableisten von gemeinnütziger Arbeit im Rahmen des Projektes ‚Auftrag ohne Antrag‘ anbietet. Ersatzfreiheitsstrafen können dadurch vermieden werden. Am Ende der Kette braucht es aber auch weiter die Möglichkeit der Ersatzfreiheitsstrafe. Bei einem generellen Verzicht auf diese würden Geldstrafen abgewertet und an Durchsetzungskraft verlieren. Reformen der Ersatzfreiheitsstrafe sind gleichwohl sinnvoll. Ich unterstütze ausdrücklich den Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann, Ersatzfreiheitsstrafen zu halbieren. So bleibt das Druckmittel der Ersatzfreiheitsstrafe erhalten, gleichzeitig entstehen aber Entlastungseffekte und zwar sowohl für alternative Angebote, wie hier zum Beispiel in Marburg durch die Eingliederungshilfe, als auch für die Justizvollzugsanstalten, die Ersatzfreiheitsstrafen vollstrecken und dabei einen erheblichen personellen und organisatorischen Aufwand zu leisten haben“ führte Hessens Justizminister Roman Poseck heute in seinem Grußwort im Rahmen einer Feierstunde zum 70-jährigen Bestehen der Eingliederungshilfe Marburg e.V. aus.

Der Verein „Eingliederungshilfe Marburg e.V.“ wurde im Jahr 1953 auf Initiative der Inneren Mission (heute Diakonisches Werk), Kommunen, Kirchen, der Bewährungshilfe und engagierten Bürgerinnen und Bürgern in Marburg gegründet. Die Eingliederungshilfe Marburg ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Satzungszweck die Hilfe zur Wiedereingliederung Straffälliger und ehemaliger Gefangener in die Gesellschaft und zu einem Leben ohne Straftaten verfolgt. 

Hessens Justizminister Roman Poseck erklärte weiter: „Der Verein leistet einen wesentlichen Beitrag zur Resozialisierung und Integration straffällig gewordener Menschen. Diese Unterstützung ist für ehemalige Gefangene und Straffällige wichtig, um sich in die Gesellschaft wiedereinzugliedern. Zugleich gelingt es damit, die Bürgerinnen und Bürger vor potentiellen Straftätern zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor 50 Jahren die Resozialisierung zum verfassungsrechtlichen Rang erhoben. In Hessen orientiert sich der Justizvollzug in allen Bereichen am verfassungsrechtlichen Resozialisierungsangebot. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die stetige Weiterentwicklung bedarf, insbesondere im Hinblick auf die gesellschaftlichen Veränderungen. 

Ich möchte mich ganz besonders für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Verein der Eingliederungshilfe und dem Hessischen Ministerium der Justiz bedanken. Sie leisten Hervorragendes für die Gesellschaft und haben heute allen Grund, dieses 70-jährige Jubiläum zu feiern.“

Projekt „Auftrag ohne Antrag“
Das Projekt „Auftrag ohne Antrag“ zielt darauf ab, die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit, Ratenzahlungen oder direkten Zahlungen abzuwenden. Die Eingliederungshilfe Marburg e.V. bietet seit Dezember 2014 dieses Projekt im Landgerichtsbezirk Marburg an. Ziel ist es, Menschen über die Möglichkeiten zur Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu beraten, sie im Idealfall in gemeinnützige Arbeit zu vermitteln und so den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden.  Im vergangenen Jahr wurden dem Verein 71 neue Fälle zugewiesen. 2021 sind es 86 Fälle, 2020 122 Fälle, 2019 116 Fälle und 2018 85 Fälle gewesen. Der Verein erhält für die Umsetzung des Projektes eine Zuwendung in Höhe von 35.000 Euro. 

Für die Vermittlung von Sozialstunden in gemeinnützige Arbeit erhält der Verein einen Förderbetrag in Höhe von 20.000 Euro. Die Eingliederungshilfe Marburg e.V. vermittelt seit mehr als 18 Jahren, auch in anderen Verfahren in denen die Ableistung gemeinnütziger Arbeit als Weisung beschlossen wurde, Menschen in gemeinnützige Arbeit und gewährleistet dabei auch die Betreuung der Probanden. 

Wohnungsangebote 
Das Übergangswohnen des Vereins Eingliederungshilfe Marburg e.V. bietet eine kurzfristige niederschwellige Wohnmöglichkeit für verurteilte, wohnungslose Personen in einer möblierten 2er-WG. Aufgenommen werden volljährige wohnungslose und/oder unter Bewährung/Führungsaufsichtstehende bzw. aus der Haft entlassene Menschen mit besonderen Persönlichkeitsdefiziten und sozialen Schwierigkeiten, die zur Überwindung dieser Schwierigkeiten aus eigener Kraft nicht in der Lage sind. Die Wohnung steht außerdem als kostengünstige Übernachtungsmöglichkeit bei Hafturlaub oder Belastungserprobung zur Verfügung. 

„Einen eigenen Wohnraum nutzen zu können, ist ein erster Schritt in ein selbstbestimmtes, straffreies Leben. Durch die enge Zusammenarbeit des Vereins mit Richterinnen, Richtern, Anwältinnen und Anwälten konnte in einigen Fällen die Untersuchungshaft vermieden werden, zum Teil mit direkter Aufnahme nach einer Verhandlung. Auch während des Aufenthaltes besteht die Möglichkeit, Unterstützung und Beratung durch den Verein zu erhalten. Dabei setzt der Verein auch auf eine Zusammenarbeit mit den Sozialen Diensten der Justiz. Insbesondere in den Fällen, in denen die Wiedereingliederung von Verurteilten durch die Situation auf dem Wohnungsmarkt besonders schwierig ist, leistet der Verein eine wesentliche und unverzichtbare Hilfestellung“, so der Minister weiter.

Im vergangenen Jahr haben 15 Personen die Wohnungen des Übergangswohnens genutzt, 2021 waren es 17 Personen und 2020 16 Personen. Die Übergangswohnungen werden seit dem Jahr 2020 durch das Hessische Ministerium der Justiz mit einer jährlichen Zuwendung von 15.000,- €, gefördert.

Seit 1992 bietet der Verein auch betreutes Wohnen an. Durch sozialpädagogische Betreuung können die dort lebenden Personen lernen, selbständig, eigenverantwortlich und vor allem straffrei zu leben. Das betreute Wohnen ist ein Angebot für Haftentlassene oder unter Bewährung stehende, suchtkranke Menschen ab 21 Jahren. In diesem Rahmen bietet der Verein Betreuung, Beratung und Unterstützung bei der Bewältigung alltäglicher Anforderungen, zum Beispiel nach der Haftentlassung, wohnsitzloser Zeit oder Therapie an. Die Betreuung kann in der eigenen Wohnung oder in für die Dauer der Betreuung zur Verfügung gestelltem Wohnraum stattfinden. Sie können in der Regel bis zu zwei Jahren dort wohnen.

Quelle: Hessisches Justizministerium, Pressemitteilung vom 15. Mai 2023

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