Das fünfte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zeigt, dass die Clankriminalität in Niedersachsen 2024 zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen ist – auf 3.145 Straftaten, ein Minus von knapp 13 Prozent. Zugleich wurden Rekordergebnisse bei der Vermögensabschöpfung erzielt, während Gewaltdelikte und bandenmäßige Diebstähle weiterhin Schwerpunkte darstellen.

    Die Niedersächsische Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben am (heutigen) Montag das fünfte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen vorgestellt.

    Kriminelle Clanstrukturen sind gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, dieses zeichnet sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung aus.

    Die maßgeblichen, ergänzenden Indikatoren umfassen unter anderem:

    • das Ausleben eines stark überhöhten familiären Ehrbegriffs und das innerfamiliäre Sanktionieren von Verstößen gegen diesen Ehrbegriff,
    • das Voranstellen von familieninternen, häufig im Gewohnheitsrecht verwurzelten Normen über das Gesetz und die Verfassung,
    • das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen unter Ausnutzung von Mobilisierungs- und Bedrohungspotentialen,
    • eine den Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz.

    Wesentliche Inhalte des Lagebildes 2024

    Im Jahr 2024 wurden der Clankriminalität insgesamt 3.145 Straftaten zugeordnet, im Jahr 2023 waren es noch 3.610. Damit ist im Jahr 2024 zum zweiten Mal in Folge ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu konstatieren, konkret um -465 Fälle bzw. -12,88%. Verglichen mit der gesamten Polizeilichen Kriminalstatistik, die 529.264 Straftaten (2023: 553.202) umfasste, ergibt dies für die Clankriminalität einen prozentualen Anteil von 0,59%. 

    Innenministerin Daniela Behrens sagt: „Die Fallzahlen der Clankriminalität sind zum zweiten Mal in Folge rückläufig. Das ist ein Erfolg unseres abgestimmten und gut vernetzten Bekämpfungskonzepts. Wir werden uns jedoch nicht auf der Entwicklung der vergangenen Jahre ausruhen. Clankriminalität ist weiterhin stark von Gewaltdelikten geprägt. Kriminalität kann man nur erfolgreich bekämpfen, indem man sie erkennt, benennt und effektive Konzepte dagegen entwickelt. Und die Strategien von Niedersachsens Polizei und Justiz wirken: Die umfangreichen Maßnahmenpakete und facettenreichen regionalen Bündnisse zur Bekämpfung der Clankriminalität greifen und drängen die Clankriminalität in vielen Aktivitätsbereichen langsam zurück. Ich sehe Niedersachsen nicht nur auf dem richtigen Weg, sondern in einer Vorreiterrolle durch dieses seit 2018 eingeführte deliktsübergreifende, und ganzheitliche Konzept. Bundesweit setzen nur wenige weitere Länder ähnliche Ansätze um.“ 

    Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann: „Das diesjährige Lagebild zur Clankriminalität zeigt erneut: Niedersachsen lässt sich von kriminellen Clans nicht auf der Nase herumtanzen. Wir dulden keine Parallelgesellschaften, die unseren Rechtsstaat ablehnen und versuchen, das staatliche Gewaltmonopol zu umgehen. Justiz und Polizei haben sich erneut mit vollem Einsatz der Clankriminalität entgegengestellt und abermals einen deutlichen Erfolg erzielt: Die Fallzahlen haben weiter abgenommen. Damit sehen wir uns in unserer ganzheitlichen Null-Toleranz-Strategie bestätigt. Diesen Weg werden wir auch weiter gehen. Unser Rechtsstaat – unsere Regeln. Wer sich nicht daran hält, muss mit der Härte des Strafrechts rechnen.“ 

    Auch wenn die Clankriminalität statistisch weniger als ein Prozent Anteil an der polizeilich erfassten Kriminalität ausmacht, stellt sie die Strafverfolgungsbehörden anhaltend vor große Herausforderungen und wirkt sich neben den objektiv von ihr ausgehenden Gefahren insbesondere auf die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger negativ aus, weshalb sie seit mehreren Jahren als ein landesweiter Schwerpunkt in der Aufgabenwahrnehmung von Polizei und Justiz verfolgt wird.

    Darüber hinaus hat sich im vergangenen Jahr erneut gezeigt, dass kriminelle Angehörige entsprechender Clanstrukturen äußerst flexibel sich bietende Gelegenheiten ergreifen und in der Lage sind, kriminelle Angebote unverzüglich auf den Markt zu bringen, so aktuell beispielsweise im Bereich des illegalen Glückspiels.  

    Kennzeichnend für das Phänomen der Clankriminalität machen Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit 1.018 Taten gut ein Drittel der Gesamtfälle aus. Bei genauerer Betrachtung wird dabei ersichtlich, dass insbesondere die Körperverletzungsdelikte mit 583 Fällen einen Großteil der Rohheitsdelikte ausmachen.

    Es wurde eine Zunahme bei Diebstahl unter erschwerenden Umständen (§§ 243-244a StGB) von 242 auf 303 Fälle bzw. +25% festgestellt, was eine gegenläufige Entwicklung zu den allgemein zurückgegangenen Fallzahlen darstellt. Hierbei handelte es sich insbesondere um teils bandenmäßig begangene Ladendiebstähle.

    Korrespondierend mit dem Rückgang der Fälle insgesamt, wurden 2.903 (2023: 3.048) tatverdächtige Personen erfasst. Etwa 80% Prozent der tatverdächtigen Personen waren männlich. Die Altersstruktur der Tatverdächtigen wies dabei ein breites Spektrum auf. Von der Gesamtzahl der Tatverdächtigen machten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre einen prozentualen Anteil von 16,81% (2023: 15,49%) aus.

    Von den 2.903 Tatverdächtigen haben 1.632 bzw. etwa 56% die deutsche Staatsangehörigkeit. Hiervon wurden 1.310 auch in Deutschland geboren. Bei den nicht-deutschen Tatverdächtigen war ein Rückgang von 1.406 bzw. 46,13% auf 1.271 bzw. 43,78% zu verzeichnen. Unter den nicht-deutschen Staatsangehörigkeiten waren rumänisch, türkisch und syrisch am stärksten vertreten.

    Die Tatorte verteilten sich – in unterschiedlicher Ausprägung – über das gesamte Flächenland Niedersachsen, sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Sogenannte Hotspots wie in anderen Bundesländern zeichnen sich in Niedersachsen weiterhin nicht ab.

    Bei der Anzahl der Vermögensabschöpfungsvorgänge mit vorläufigen Sicherungen ist es in 2024 zu einer erheblichen Steigerung gekommen. Nach 33 Vorgängen in 2023 konnten im vergangenen Jahr in 47 Vorgängen vorläufige Sicherungen in Höhe von 4.938.113 Euro erzielt werden. Dies entspricht einem Anstieg von 2.959.804 Euro bzw. knapp 150%. Damit wird ein Allzeit-Hoch seit Erstellung des gemeinsamen Lagebildes erreicht.

    Kriminelle Aktivitäten von Clanangehörigen sind teilweise auch der Organisierten Kriminalität (OK) zuzuordnen. Durch die niedersächsische Polizei wurden in 2024 fünf OK-Verfahren geführt, in denen die agierende Tätergruppierung der Clankriminalität zuzurechnen ist. Im Vorjahr waren es neun Verfahren. In fünf weiteren Verfahren wurde die Tätergruppierung nicht unmittelbar der Clankriminalität zugeschrieben, hatte jedoch Verbindungen zu clankriminellen Strukturen. Drei der fünf Verfahren hatten in der Hauptaktivität Rauschgifthandel/ -schmuggel zum Inhalt. Dabei richteten sich die Ermittlungen gegen insgesamt 56 Personen.

    Maßgebliche Bekämpfungsansätze

    Mit der „Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen“ bestehen landesweit einheitliche und zukunftsfähige Standards, die auf einen ganzheitlichen und niedrigschwelligen Ansatz abzielen. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit wurde weiter ausgebaut und trägt einerseits maßgeblich dazu bei, die Clankriminalität in all ihren Facetten sichtbar zu machen und andererseits eine etwaige Etablierung von kriminellen Strukturen und Geschäftsmodellen zu unterbinden.

    Innenministerin Daniela Behrens: „Niedersachsen ist in der Bekämpfung der Clankriminalität auf einem erfolgreichen Weg. Dies gilt sowohl mit Blick auf die positive Entwicklung der Fallzahlen, aber auch mit Blick auf die erreichte Höhe vorläufig gesicherter Vermögenswerte. 

    Die internationale Vernetzung nimmt weiter zu, deshalb gewinnt auch die grenzübergreifende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit immer mehr an Bedeutung. Wir wollen und müssen weiterhin konsequent den eingeschlagenen Weg fortsetzen, um insbesondere die organisierte Clankriminalität zurückzudrängen.“

    Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann: „Niedersachsen ist und bleibt Vorreiter bei der Bekämpfung von Clankriminalität. Das ist vor allem der hervorragenden Zusammenarbeit aller Beteiligten zu verdanken, die durch einen engen Austausch und eine effektive Vernetzung dafür sorgen, dass kriminelle Clans auf unseren Straßen keine Chance haben. Besonders erfreulich ist der enorme Zuwachs bei der Vermögensabschöpfung. Man muss die Täterinnen und Täter dort packen, wo es ihnen am meisten weh tut – und das ist im Regelfall der Geldbeutel.“

    IM Niedersachsen, 18.08.2025

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