Ukrainische Geflüchtete wählen ihr Zielland vor allem nach Jobchancen und Lohnniveau, nicht primär nach Sozialleistungen. Das zeigt eine ifo-Studie, der zufolge ökonomische Perspektiven deutlich mehr Einfluss auf die Entscheidung haben als staatliche Unterstützung.

    Ukrainische Geflüchtete entscheiden sich für Länder mit guten Jobchancen. Weniger relevant sind höhere Sozialleistungen. Das geht aus einer aktuellen Studie des ifo Instituts hervor, für die über 3.300 ukrainische Geflüchtete in Europa befragt wurden. „Die Aussicht auf einen Arbeitsplatz, der zur eigenen Qualifikation passt, und ein höheres Lohnniveau haben einen deutlich stärkeren Effekt auf die Entscheidung der Geflüchteten, in welches Land sie gehen, als Sozialhilfen oder andere staatliche Leistungen“, sagt Panu Poutvaara, Leiter des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik. „Wir sehen, dass Lohnunterschiede eine fast vier Mal stärkere Rolle bei der Wahl des Ziellands von ukrainischen Geflüchteten spielen als Unterschiede in Sozialleistungen. Das heißt natürlich nicht, dass Sozialleistungen keine Rolle spielen.“  
       
    In einem hypothetischen Szenario konnten die Befragten zwischen zwei Ländern mit verschiedenen Bedingungen wählen. Entscheidend war, ob das Land bessere Jobchancen oder höhere Löhne versprach. Verspricht das Zielland positivere Aussichten in der Berufswahl, entschieden sich die Befragten mit einer um 15 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit dafür. Wenn der Durchschnittslohn in einem Land 500 Euro (570 US-Dollar) höher ist, entscheiden sich die Befragten mit einer um 9 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit dafür. Beschäftigungsmöglichkeiten und höhere Löhne sind auch für derzeit arbeitslose Geflüchtete entscheidende Faktoren. Sie planen offenbar, in Zukunft in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Außerdem fallen Freunde oder Familie im Zielland mit 8,5 Prozentpunkten mehr ins Gewicht als eine unmittelbare geografische Nähe zur Ukraine. Auch Rückkehrabsichten spielen eine Rolle. Geflüchtete, die planen, sich langfristig außerhalb der Ukraine niederzulassen, bevorzugen Länder in weiterer Entfernung mit ökonomischen Vorteilen gegenüber Ländern, in denen sich Familie und Freunde befinden.   
     
    „Passende politische Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene lassen sich nur planen, wenn die Politik die Motive der Geflüchteten, bestimmte Länder auszuwählen, zur Kenntnis nimmt“, sagt Yvonne Giesing, stellvertretende Leiterin des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik. So diskutiere man darüber, Sozialleistungen zu kürzen, um die Flucht in bestimmte Länder unattraktiver zu machen. Die habe jedoch nur wenig Wirkung. Denn die Studie zeige, dass ein höheres Lohnniveau und ein einfacher Zugang zu passenden Arbeitsplätzen für Geflüchtete ein größerer Anreiz sind als Sozialleistungen. „Staatliche Hilfe zu kürzen, könnte sich auch langfristig negativ auf die Integration auswirken“, sagt Giesing.  

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