
Das Verwaltungsgericht Schwerin hat zentrale versammlungsrechtliche Auflagen für das Festival „Jamel rockt den Förster“ vorläufig außer Kraft gesetzt und der Versammlungsfreiheit der Veranstalter den Vorrang eingeräumt. Der Landkreis Nordwestmecklenburg konnte aus Sicht des Gerichts keine ausreichende Gefahrenprognose für die Einschränkungen darlegen.
Das Verwaltungsgericht Schwerin hat mit Beschluss vom 23. Juli 2025 (Az.: 3 B 2357/25 SN) einem Eilantrag betreffend versammlungsrechtliche Auflagen für „Jamel rockt den Förster“ weitgehend stattgegeben.
Damit hat das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen eine Ordnungsverfügung des Landrates des Landkreises Nordwestmecklenburg vom 11. Juli 2025 weitgehend wiederhergestellt. Das heißt, dass insoweit die Auflagen vorläufig nicht gelten.
Zwar dürfe der Landrat als nach dem Versammlungsgesetz zuständige Versammlungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob er eine Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig mache (§ 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz). Angesichts des hohen verfassungsrechtlichen Ranges der Versammlungsfreiheit müsse jedoch in jedem Einzelfall und für jede Beschränkung einer Versammlung der Nachweis geführt werden, dass anderenfalls die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet wäre.
Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass das Festival „Jamel rockt den Förster“ in diesem Jahr als Versammlung angemeldet wurde. Daraufhin waren seitens des Landkreises verschiedene Auflagen zur Durchführung der Veranstaltung verfügt worden. Auf den hiergegen gestellten Eilantrag der Veranstalter und Unterstützer vom 16. Juli 2025, auf den der Landkreis am 23. Juli 2025 gegenüber dem Verwaltungsgericht erwidert hat, ist mit Beschluss vom selben Tag hinsichtlich folgender Auflagen die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt worden:
– Versammlungszeitraum: Als Zeitraum der Versammlung war ursprünglich nur der 17. bis 27. August 2025 angemeldet worden, die Anmeldung jedoch später für unter anderem Vorbereitungsmaßnahmen und ein zunächst mit wenigen Teilnehmern zu beginnendes „Demokratiecamp“ auf den Zeitraum ab dem 11. August 2025 erweitert worden. Für eine zeitliche Beschränkung auf den erstgenannten Zeitraum, so das Gericht, gebe es jedoch keine gesetzliche Grundlage und es sei insofern zudem kein Gefahrenmoment ersichtlich.
– Verlesen der Versammlungsauflagen: Insofern bestünden Bedenken gegen die Bestimmtheit der Auflage, soweit sich auf zu verlesende „entsprechende Hinweise“ beziehe. Außerdem richtete sich einiges von dem zu Verlesenden an die Versammlungsleitung selbst und werde von dieser zum Verlesungszeitpunkt wohl bereits erledigt sein. Schließlich gälten einige der zu verlesenden Auflagen infolge der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr.
– Ordneranzahl: Unter anderem in diesem Zusammenhang habe der Landrat nicht berücksichtigt, dass es sich nicht um eine bewegliche Demonstration (gesetzlich: „Aufzug“) mit dem Risiko der Begegnung mit gewalttätigen Gegendemonstrationen handele. Aus der vorliegenden polizeilichen Gefahrenprognose schloss das Gericht, ausreichend erschienen „neben den zahlreichen vor Ort befindlichen Polizeikräften in der Hauptphase des Versammlungs- und Festspielgeschehens Ordner in der 2024 in Abhängigkeit von der Phase der Veranstaltung und der Zahl jeweils anwesender Teilnehmer eingesetzten, weitaus geringeren Zahl; diese können ggf. …, wie in den Vorjahren, von Sicherheitsdienst-Mitarbeitern unterstützt werden“.
– Mitführverbot für Glasflaschen und Behälter aus Glas: Für deren laut der Bescheidsbegründung befürchtete Verwendung als Waffe fehle es an jeglicher tragfähigen Prognosegrundlage, wobei das Gericht insbesondere auf die gerichtsbekannten und offenkundigen Erfahrungen der Vorjahre und die Verwendung von Glasbehältern vor allem durch die Teilnehmer des „Demokratiecamps“ verwies.
– Alkoholkonsumverbot: Es spiele keine Rolle, ob Alkoholkonsum für die Durchführung einer politischen Versammlung unter freiem Himmel erforderlich sei. Die „inhaltliche Gestaltung des Versammlungsablaufs“ stehe grundsätzlich den Versammlungsteilnehmern und der Versammlungsleitung zu. Für Gefahren durch den Konsum von Alkohol für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung fehle es an eindeutigen Referenzfällen oder sonstigen Prognosegrundlagen.
– Vorabmitteilung der Musiker, Bands und Redner: Insofern hat das Gericht lediglich die Auflage dahin modifiziert, dass die Mitteilung an die Polizei zu erfolgen habe. Damit werde der Befürchtung eines „Datenlecks“ begegnet, wie sie die Antragsteller unter Hinweis auf Erfahrungen aus Vorjahren vortrugen. An sich sei die Annahme in dem Bescheid nicht von der Hand zu weisen, dass einige Bands ein besonderes Mobilisierungspotenzial hätten und es daher für eine verantwortliche polizeiliche Gefahrenbeurteilung der Auflage bedürfe.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; der Antragsgegner kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern einlegen.
VG Schwerin, 24.07.2025