
Das Landgericht München I hat ein ehemaliges Vorstandsmitglied einer Münchner Bank zur Zahlung von einer Million Euro sowie zum Ersatz sämtlicher Schäden aus einem risikobehafteten Steuerstrukturmodell verurteilt. Die Kammer bejahte eine Pflichtverletzung nach dem Aktiengesetz und sah das Handeln des Beklagten als mitursächlich für die Insolvenz der Bank an.
Die 43. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 10. Juli 2025 (Az. 43 O 18215/19) ein ehemaliges Vorstandsmitglied einer Münchner Bank zu einer Zahlung in Höhe von einer Million Euro an den Insolvenzverwalter der Bank verurteilt. Zugleich stellte das Gericht fest, dass der Beklagte der Bank zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet ist, die durch ein steuerlich risikobehaftetes Dividendenmodell entstanden sind. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Beklagte ein Geschäft genehmigt, bei dem die Bank als Depotbank zwischen April 2016 und Februar 2017 Dividenden und Dividendenkompensationsleistungen in Höhe von insgesamt rund 141 Millionen Euro ohne Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag an eine gemeinnützige Gesellschaft auszahlte. Diese hatte – fremdfinanziert – über ein Depot bei der Bank Aktien im Gesamtwert von etwa 3,8 Milliarden Euro jeweils nur für wenige Tage rund um den Dividendenstichtag erworben. Der hierdurch unterlassene Steuerabzug hätte sich auf etwa 37,2 Millionen Euro belaufen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Beklagte für die Genehmigung des Geschäftsmodells eine Zahlung von einer Million Euro über ein Geflecht ausländischer Gesellschaften erhielt, die von der gemeinnützigen Gesellschaft stammte. Diese Zahlung sei herauszugeben.
Zudem habe sich der Vorstand über bestehende Compliance-Bedenken hinweggesetzt. Zwar betonte das Gericht, dass ein Vorstand nicht verpflichtet sei, jegliches existenzgefährdende Risiko auszuschließen. Im vorliegenden Fall sei die drohende Insolvenz der Bank jedoch aus objektiver Sicht so wahrscheinlich gewesen, dass der Vorstand das Modell nicht hätte genehmigen dürfen. Auch eine später möglicherweise günstige Entscheidung des Bundesfinanzhofs im laufenden finanzgerichtlichen Verfahren ändere daran nichts.
Das Landgericht entschied nicht über steuerrechtliche Fragen, sondern stellte auf die aktienrechtliche Pflichtverletzung des Vorstands ab. Dieser hätte angesichts erkennbarer Restrisiken und der bestehenden Unsicherheiten über die steuerrechtliche Behandlung der Zahlungen den Steuerabzug sicherheitshalber vornehmen müssen.
Hintergrund der Entscheidung ist ein Steuerkonstrukt, das auf sogenannten „cum/cum“-Modellen basiert. Diese Konstruktionen sollen es gemeinnützigen Gesellschaften ermöglichen, steuerfrei Dividenden zu vereinnahmen, indem sie Aktien kurzzeitig über den Dividendenstichtag halten. Das Finanzamt München und das Finanzgericht München vertreten die Auffassung, die Bank hätte die Kapitalertragsteuer abführen müssen, da das Verhalten der gemeinnützigen Gesellschaft nicht im Einklang mit deren Satzungszweck stand.
Das Verfahren über den Haftungsbescheid des Finanzamts gegen die Bank ist noch nicht abgeschlossen. Der Insolvenzverwalter hatte mit seiner Klage auf Schadensersatz geltend gemacht, das Handeln der Vorstände habe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bank geführt. Das Landgericht München I folgte dieser Argumentation nun in zentralen Punkten.