
Das Landgericht Köln hat die Klage einer Frau gegen das Erzbistum Köln wegen sexuellen Missbrauchs durch einen ehemaligen Priester abgewiesen. Eine Haftung nach Amtshaftungsgrundsätzen oder aus Verletzung von Fürsorgepflichten scheide aus, da kein ausreichender Zusammenhang zwischen den Taten und der kirchlichen Amtstätigkeit bestanden habe. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; eine Berufung zum Oberlandesgericht Köln ist möglich.
Das Landgericht Köln hat mit heute verkündetem Urteil (01.07.2025) Ansprüche der Klägerin gegen das Erzbistum Köln wegen einer Vielzahl sexueller Missbrauchstaten eines ehemaligen Priesters des Erzbistums als unbegründet abgewiesen. Eine Haftung des beklagten Erzbistums insbesondere unter sogenannten Amtshaftungsgrundsätzen scheide nach Auffassung der Kammer ebenso aus, wie eine Haftung aus Unterlassen von Sorgfalts- und Fürsorgepflichten.
Die Klägerin begehrt in dem Verfahren 5 O 220/23 vom beklagten Erzbistum Köln eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 830.000 € sowie eine Verpflichtung zum Ersatz zukünftiger materieller Schäden. Sie stützt diesen Anspruch auf eine Vielzahl von sexuellen Missbrauchstaten eines
ehemaligen Priesters der Beklagten in den 70er- und 80er- Jahren. Über Jahre hatte sie in diesem Zeitraum auch als Pflegekind bei diesem gelebt. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr wegen dieser Taten gegenüber der Beklagten sog. Amtshaftungsansprüche zustehen würden, da die Missbrauchstaten seitens des ehemaligen Priesters in Ausübung eines kirchlichen Amtes erfolgt seien bzw. die Beklagte eigene Aufsichts- bzw. Schutzpflichten ihr gegenüber verletzt habe.
Dieser Argumentation ist die 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln nicht gefolgt und hat mit heute verkündeten Urteil, die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Mögliche Amtshaftungsansprüche (§ 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG) lehnt die Kammer ab. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung könnten auch die Amtsträger der Kirchen Beamte im haftungsrechtlichen Sinne sein. Es komme in dieser Rechtsprechung jedoch zum Ausdruck, dass nicht jede Handlung eines Amtsträgers einer Kirche die Ausübung eines öffentlichen Amtes zur Folge habe. In Bezug auf die Fälle sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Amtsträger habe sich die Auffassung gebildet, dass die kirchlichen Körperschaften für die Folgen derartiger Taten haften können. Voraussetzung für eine Haftung sei indes stets, dass die Tat als Ausübung eines öffentlichen Amtes qualifiziert werden könne. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung dabei, ob die eigentliche Zielsetzung, mit der die handelnde Person tätig wird, kirchlicher Tätigkeit im Sinne ihres Auftrags in der Gesellschaft zuzurechnen sei und ob zwischen dieser Zielsetzung und schädigender Handlung ein enger äußerer und innerer Zusammenhang bestehe. Der Zusammenhang fehle, wenn keine innere Beziehung zur Tätigkeit bestehe und nur bei Gelegenheit des Dienstes gehandelt werde. Erforderlich sei ein hinreichender Zusammenhang zu der klerikalen Tätigkeit. In dem zur Entscheidung stehenden Fall sei nach Auffassung der Kammer der erforderliche Zusammenhang zwischen den Missbrauchstaten und dem kirchlichen Amt des Täters nicht gegeben. Vielmehr bestehe die Besonderheit, dass die Klägerin dem ehemaligen Priester als Pflegekind anvertraut gewesen sei. Die Sorge für ein Pflegekind sei dabei durch einen staatlichen Akt begründet worden. Ein Zusammenhang zur kirchlichen Tätigkeit scheide aus Sicht der Kammer bereits deshalb aus.
Eine kirchliche Tätigkeit werde – so die Kammer weiter – auch nicht dadurch begründet, dass das beklagte Erzbistum zu der Annahme als Pflegekind seine Zustimmung erteilt hat. Dies mache die Sorge für das Pflegekind nicht zur kirchlichen Aufgabe. Nicht jede Tätigkeit eines kirchlichen Amtsträgers stelle zugleich die Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne der Haftungsnorm dar. Dies mag in Widerspruch zum theologischen Verständnis stehen, welches die katholische Kirche vom Priesteramt habe. Nur wenn aber die Tätigkeit eines kirchlichen Amtsträgers einen Bezug zu seinem kirchlichen Amt habe, seien nach der Rechtsprechung mögliche Amtshaftungsansprüche auch der Kirchen gerechtfertigt. Es sei nicht ersichtlich, dass die kirchlichen Körperschaften für jede Handlung ihrer Amtsträger haften. Die Kammer sei daher nicht gehalten gewesen, zu ermitteln, welches Amtsverständnis das Kirchenrecht zugrunde lege. Es komme nach der weiteren Begründung der Kammer dabei auch nicht darauf an, ob Dienstvorgesetzte oder möglicherweise der Täter selbst die Betreuung des Pflegekindes als Teil der Ausübung des Priesteramtes angesehen haben. Maßgebend sei bereits aus Gründen der Rechtssicherheit eine objektive Betrachtung.
Eine Haftung des beklagten Erzbistums bestehe auch nicht auf der Grundlage einer anderen Anspruchsgrundlage, wie zum Beispiel § 831 BGB. Voraussetzung einer Zurechnung sei auch hier ein Zusammenhang mit der kirchlichen Tätigkeit.
Zuletzt lehnt die 5. Zivilkammer auch eine Haftung des beklagten Erzbistums, weil es den Täter nicht hinreichend überwacht haben könnte, ab. Im Grundsatz seien allerdings Handlungspflichten des Erzbistums im Zusammenhang mit der Aufklärung eines beruflichen oder persönlichen Fehlverhaltens eines Priesters prinzipiell denkbar. Würden einzelne Missbrauchsfälle den Leitungspersonen des Bistums bekannt werden und würden diese nicht eingreifen, um dem Missbrauch Einhalt zu gebieten und rechtliche Maßnahmen gegen den Missbrauchstäter zu ergreifen, käme ein Haftungsanspruch wegen Amtspflichtverletzung der Leitungspersonen des Bistums durch Unterlassen deliktischer Sorgfalts- und Fürsorgepflichten in Betracht. Die durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen als auch die Anhörung der Klägerin persönlich habe – so die Kammer weiter – indes nicht ergeben, dass organschaftliche Vertreter oder andere Bedienstete des beklagten Erzbistums Köln Anhaltspunkte dafür gehabt hätten, dass die Klägerin sexuell missbraucht wurde. Dazu führt die Kammer im Anschluss im Einzelnen weiter aus.
Das am 01.07.2025 verkündete Urteil, Az. 5 O 220/23, ist noch nicht rechtskräftig. Es besteht für die Parteien die Möglichkeit, gegen das Urteil beim Oberlandesgericht Köln Berufung einzulegen.
LG Köln, 01.07.2025