
Berlin, 23. Oktober 2025 (JPD) – Das Bundesverfassungsgericht hat einer Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Arbeitgebers stattgegeben und eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben. Dieses hatte den Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil er eine konfessionslose Bewerberin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Nach Auffassung des Zweiten Senats hat das Bundesarbeitsgericht dem religiösen Selbstbestimmungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers nicht das verfassungsrechtlich gebotene Gewicht beigemessen.
Karlsruhe stärkt religiöses Selbstbestimmungsrecht kirchlicher Arbeitgeber
Der Beschluss vom 29. September 2025 (Az. 2 BvR 934/19) betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen kirchliche Arbeitgeber eine Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraussetzung verlangen dürfen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verletzt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts das Recht des Beschwerdeführers auf religiöse Selbstbestimmung aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV.
Das Gericht stellte klar, dass die Gerichte bei der Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) das religiöse Selbstverständnis kirchlicher Arbeitgeber in einer zweistufigen Prüfung berücksichtigen müssen. Dabei sei zu prüfen, ob die Kirchenmitgliedschaft nach dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft plausibel mit der ausgeschriebenen Tätigkeit zusammenhängt und ob das Erfordernis verhältnismäßig ist.
Verhältnis von Unionsrecht und Religionsfreiheit
Der Zweite Senat betonte zugleich den Vorrang des Unionsrechts und die Pflicht, nationales Recht unionsrechtskonform auszulegen. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. April 2018 zur Gleichbehandlungsrichtlinie (2000/78/EG) sei zu berücksichtigen, stelle aber keinen unzulässigen Eingriff in die Kompetenzordnung (Ultra-vires-Akt) dar. Zwischen dem europäischen Diskriminierungsschutz und dem deutschen Verständnis des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bestünden keine unüberwindbaren Widersprüche.
Die Entscheidung konkretisiert damit die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur „Zweistufenprüfung“ bei Kollisionen zwischen Diskriminierungsschutz und Religionsfreiheit im kirchlichen Arbeitsrecht. Je größer die Bedeutung einer Stelle für das religiöse Ethos sei, desto stärker wiege das Selbstbestimmungsrecht der Kirche, so das Gericht.
Bundesarbeitsgericht muss erneut entscheiden
Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Dieses habe das religiöse Selbstverständnis des kirchlichen Arbeitgebers unzureichend gewürdigt, indem es eigene Maßstäbe an die Bedeutung der Kirchenmitgliedschaft anlegte. Eine solche Prüfung müsse die Plausibilität der kirchlichen Vorgaben respektieren und deren Gewicht im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung angemessen berücksichtigen.