Karlsruhe, 15. Oktober 2025 (JPD) – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass unklare Klauseln in einer Verkehrs-Rechtsschutzversicherung zu Lasten des Versicherers gehen. Nach dem Urteil des IV. Zivilsenats besteht für Versicherungsnehmer auch dann Deckungsschutz, wenn sie im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Ersatzfahrzeugs rechtliche Interessen geltend machen – etwa bei einer Dieselklage wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen.

BGH: Unklare Versicherungsbedingungen in Verkehrs-Rechtsschutz gelten zugunsten der Kunden

Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Versicherungsnehmerin ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch genommen, um Schadensersatzansprüche gegen eine Autoherstellerin geltend zu machen. Sie hatte 2017 einen Diesel-Pkw mit sogenanntem Thermofenster erworben und warf der Herstellerin vor, unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet zu haben. Die Versicherung verweigerte den Deckungsschutz mit der Begründung, die beabsichtigte Klage habe keine Erfolgsaussichten.

Das Landgericht Itzehoe gab der Klägerin Recht, das Oberlandesgericht Schleswig wies die Klage jedoch ab. Der BGH hob dieses Urteil nun teilweise auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Nach Ansicht des Senats sind die verwendeten Versicherungsbedingungen (§§ 21 Abs. 2, Abs. 8, 23 Abs. 3 Satz 4 VRB 1994) aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers unklar. Damit greifen die Auslegungsregeln des § 305c Abs. 2 BGB: Zweifel gehen zulasten des Versicherers.

Deckungsschutz auch beim Fahrzeugkauf möglich

Der BGH stellte klar, dass die Versicherungsbedingungen so verstanden werden können, dass Versicherungsschutz nicht nur für Streitigkeiten im Zusammenhang mit bereits zugelassenen Fahrzeugen besteht, sondern auch für Fälle, die den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs betreffen. Nach dem Wortlaut der Klauseln sei der Deckungsschutz ausdrücklich auch auf Rechtsstreitigkeiten „im Zusammenhang mit dem Vertrag über den Erwerb“ eines solchen Fahrzeugs bezogen.

Ein verständiger Versicherungsnehmer dürfe daher annehmen, dass auch Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller eines erworbenen Diesel-Fahrzeugs von der Versicherung umfasst seien. Der Senat betonte, dass sich die Unklarheit nicht auf eine einzelne Passage beschränke, sondern sich aus dem Zusammenspiel mehrerer Vertragsklauseln ergebe.

Keine Versagung des Versicherungsschutzes wegen Erfolgsaussicht

Das Oberlandesgericht hatte die Klage auch mit der Begründung abgewiesen, die Rechtsverfolgung der Klägerin habe keine ausreichende Aussicht auf Erfolg. Dem widersprach der BGH: Nach den bisherigen Feststellungen lasse sich nicht erkennen, dass die Voraussetzungen für eine Ablehnung nach § 17 Abs. 1 VRB 1994 erfüllt seien. Die Geltendmachung eines deliktischen Schadensersatzanspruchs gegen den Hersteller könne vielmehr den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügen.

Mit seinem Urteil stärkt der BGH die Position von Verbrauchern bei der Auslegung unklarer Versicherungsbedingungen. Unbestimmte oder mehrdeutige Formulierungen in Rechtsschutzverträgen sind danach stets im Zweifel zugunsten des Versicherungsnehmers auszulegen.

Az.: BGH, Urteil vom 15. Oktober 2025 – IV ZR 86/24
Vorinstanzen: LG Itzehoe, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 3 O 101/23;
OLG Schleswig, Urteil vom 17. Juni 2024 – 16 U 11/24.

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