
Würzburg, 16. Oktober 2025 (JPD) – Ein Fall, der an die Grenze zwischen Aberglauben und Berechnung rührt, beschäftigte am Donnerstag das Schöffengericht Würzburg unter dem Vorsitz von Richter Dr. Hubert Stühler. Zwei Schwestern aus Weißrussland wurden wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt, nachdem sie einer älteren Frau 19.000 Euro durch vorgetäuschte spirituelle Rituale entwendet hatten. Hinter dem täuschend sanften Versprechen einer „Aura-Reinigung“ verbarg sich eine professionell organisierte Tat.
Von der „Aura“ zum Diebstahl
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Würzburg hatten die Schwestern, 54 und 50 Jahre alt, am 27. Juli 2024 in der Würzburger Innenstadt ihr Opfer angesprochen. Die ältere Angeklagte, die russisch sprach, erklärte der Frau, eine „schlechte Aura“ bei ihr zu spüren. Kurz darauf erschien ihre Schwester, die sich als zufriedene Kundin ausgab. Gemeinsam führten sie vermeintliche Rituale zur „Reinigung“ durch – eine Inszenierung, die sich Schritt für Schritt zu einem ausgeklügelten Täuschungsmanöver entwickelte.
Im Verlauf dieser „Zeremonien“ überredeten die Frauen die Geschädigte, ihr gesamtes Bargeld aus der Wohnung zu holen, da auch auf dem Geld ein „Fluch“ laste. Die jüngere Angeklagte begleitete sie nach Hause, ließ sie 19.000 Euro in ein Küchentuch wickeln und brachte das Bündel zu ihrer Schwester zurück. Dort wurde es in einen Putzlappen geschlagen und der Frau an den Körper gelegt – mit der Anweisung, es 33 Tage lang nicht zu öffnen. Als sie dem Rat schließlich nicht mehr folgte, fielen wenige Tage später nur Papierschnipsel zu Boden.
Ermittler der Kriminalpolizei Würzburg sicherten Videomaterial aus der Innenstadt, auf dem die gesamte Handlung erkennbar war. Über das Kennzeichen des Fluchtwagens gelang es den Beamten, das Fahrzeug am 1. Februar 2025 auf der A3 bei Aschaffenburg zu stoppen. Bei der Kontrolle wurden die Angeklagten festgenommen und 30.800 Euro Bargeld sichergestellt.
Geständnisse und richterliches Urteil
Vor Gericht legten beide Angeklagte über ihre Verteidiger Sergej Etinger und Tatiana Slivina umfassende Geständnisse ab. Die Frauen, die in Deutschland bislang nicht vorbestraft waren, baten unter Tränen um Verzeihung. Sie schilderten eine von Krankheit und Armut geprägte Lebenssituation: Die ältere Schwester leidet an einem fortgeschrittenen Krebsleiden, die jüngere an einer chronischen Erkrankung; beide versorgten zudem ihre pflegebedürftige Mutter in Weißrussland.
Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Die Verteidigung plädierte auf Bewährung, mit Hinweis auf Reue, Geständnis und Wiedergutmachungsabsicht. Das Gericht verhängte schließlich je zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe wegen schweren Bandendiebstahls und ordnete die Haftfortdauer an.
Während der Urteilsverkündung verharrten die Schwestern mit gesenkten Köpfen, die Gesichter in den Händen verborgen. Die Geschädigte, die ihr gesamtes Erspartes verloren hatte, berichtete von anhaltenden psychischen Belastungen; sie habe nach der Tat nicht mehr allein in ihrer Wohnung leben können.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die beiden Frauen verbleiben in Untersuchungshaft.