
Königslutter, 7. November 2025 (JPD) – Die niedersächsischen Verwaltungsgerichte stehen weiterhin unter erheblichem Druck. Trotz rückläufiger Zahlen bei neuen Asylerstanträgen steigen die Bestände offener Verfahren deutlich an. Das teilte der Präsident des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, Dr. Frank-Thomas Hett, anlässlich der 6. Niedersächsischen Verwaltungsrichtertage mit, die am 6. und 7. November in Königslutter stattfanden. Rund 170 Verwaltungsrichterinnen und -richter aus ganz Niedersachsen diskutierten dort aktuelle Herausforderungen und Reformvorhaben in der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Verwaltungsgerichte in Niedersachsen vor Rekordbelastung
Nach Angaben von Dr. Hett haben die niedersächsischen Verwaltungsgerichte aktuell einen neuen Höchststand an unerledigten Verfahren erreicht. Ende des dritten Quartals 2025 lag der Bestand bei 34.576 offenen Fällen – mehr als in den Jahren nach der Flüchtlingszuwanderung 2015. Bereits Ende des ersten Quartals waren 29.140 Verfahren anhängig, Ende des zweiten Quartals 33.071. „Besonders die Asylverfahren treiben die Zahlen weiter nach oben“, sagte Hett.
Der Grund für den Anstieg liegt laut dem Gerichtspräsidenten in der höheren Entscheidungstätigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). „Da nahezu jede ablehnende Entscheidung des Bundesamts vor Gericht angefochten wird, haben sich die Eingangszahlen bei den Verwaltungsgerichten erheblich erhöht“, erklärte Hett. Selbst bei sinkenden Neuanträgen bleibe die Belastung der Gerichte hoch, weil die aufgelaufenen Verfahren mehrere Jahre in Anspruch nähmen.
GEAS-Reform könnte zusätzlichen Druck bringen
Mit Blick auf die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) warnte Hett vor weiteren Herausforderungen. Nach der EU-Reform sollen Asylklagen künftig innerhalb von sechs Monaten entschieden werden. „Angesichts unserer Verfahrensbestände ist das derzeit nicht realistisch. Ein Abschluss innerhalb dieser Frist wäre nur möglich, wenn andere Verfahren zurückgestellt würden – und das ist den Bürgerinnen und Bürgern, die bei uns Rechtsschutz suchen, kaum zu vermitteln“, so Hett.
Neben der Asylrechtsprechung befassten sich die Verwaltungsrichtertage auch mit Zukunftsfragen der Justiz, darunter dem Einsatz Künstlicher Intelligenz in Gerichtsverfahren, Videoverhandlungen sowie aktuellen Entwicklungen im Disziplinar- und Naturschutzrecht. Hett betonte die Bedeutung einer widerstandsfähigen Verwaltungsgerichtsbarkeit für den Rechtsstaat: „Effektiver Rechtsschutz gegen staatliche Entscheidungen ist keine Selbstverständlichkeit. Unsere Verwaltungsgerichte sichern mit ihrer Arbeit das Vertrauen in den Rechtsstaat.“