
Berlin, 5. November 2025 (JPD) – Sachverständige aus Justiz und Anwaltschaft haben die geplante Stärkung der Amtsgerichte in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses begrüßt, zugleich aber differenzierte Anpassungen vorgeschlagen. Diskutiert wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts, zur Förderung gerichtlicher Spezialisierung in Zivilsachen sowie zur Anpassung weiterer prozessualer Regelungen. Ziel ist es, den ortsnahen Zugang zur Justiz zu sichern und kleinere Amtsgerichte langfristig zu stabilisieren.
Streitwertanhebung und Spezialisierung der Amtsgerichte im Fokus
Der Entwurf sieht vor, den Zuständigkeitsstreitwert nach § 23 Gerichtsverfassungsgesetz von 5.000 auf 10.000 Euro zu erhöhen. Gleichzeitig sollen bestimmte Sachgebiete künftig streitwertunabhängig den Amts- oder Landgerichten zugewiesen werden, etwa Nachbarschaftsstreitigkeiten vor Amtsgerichten oder Vergabesachen vor Landgerichten. Hintergrund ist die seit Jahrzehnten rückläufige Zahl erstinstanzlicher Zivilverfahren an Amtsgerichten, die besonders kleinere Standorte schwächt.
Sachverständige wie Beate Gsell von der Ludwig-Maximilians-Universität München betonten, dass eine Stärkung der Amtsgerichte den Zugang zur Justiz vor Ort sicherstelle. Eine empirische Begleitung der Streitwertanhebung sei notwendig, und die Anhebung der Wertgrenzen für den Anwaltszwang sollte moderat erfolgen. Marianne Krause, Richterin am Amtsgericht, und Heike Kremer, Vizepräsidentin des Amtsgerichts Köln, unterstrichen, dass die Reform nur wirksam sei, wenn personelle, technische und räumliche Ressourcen gleichzeitig ausgebaut würden.
Rechtsanwälte und Vertreter von Verbänden mahnten ebenfalls Vorsicht an. Thomas von Plehwe vom Deutschen Anwaltverein wies auf die unterschiedlichen Arbeitsbelastungen der Gerichte hin und warnte vor Qualitätsverlusten bei der Rechtsprechung. Daniel Otte empfahl eine stärkere Spezialisierung der Amts- und Landgerichte sowie den gezielten Einsatz künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig betonten Sachverständige, dass die Erhöhung der Rechtsmittelstreitwerte – etwa für Berufungen und Nichtzulassungsbeschwerden – die Belastung der Gerichte nur geringfügig beeinflussen dürfte.
Weitere Änderungen betreffen die Anpassung von Verfahrensordnungen, wie der Zivilprozessordnung, dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz und dem Unterlassungsklagengesetz. Künftig sollen Gerichte Kostenentscheidungen bei geänderten Streitwerten eigenständig treffen können, ein Vorschlag des Bundesrates, den die Bundesregierung ablehnt. Kurzfristig wurde zudem ein Änderungsantrag der Regierungsfraktionen vorgelegt, der unter anderem die Berufungswertgrenze von 600 auf 1.000 Euro und die Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde von 20.000 auf 25.000 Euro anhebt.
Der Gesetzentwurf war am 27. August 2025 vom Bundeskabinett beschlossen und am 9. Oktober 2025 erstmals im Bundestag beraten worden. Die Umsetzung der Reform ist für den 1. Januar 2026 vorgesehen.