Berlin, 28. Oktober 2025 (JPD) – Das Bundesverfassungsgericht hat mehreren Verfassungsbeschwerden gegen Festnahmen vor der Anordnung von Abschiebungshaft stattgegeben. Nach den am Dienstag veröffentlichten Beschlüssen (2 BvR 329/22, 2 BvR 330/22 und 2 BvR 1191/22) verletzten die angegriffenen Entscheidungen der Fachgerichte die Beschwerdeführerinnen und den Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 104 GG.

Die Fälle betrafen drei Personen, die jeweils im Zusammenhang mit einer geplanten Abschiebung festgenommen worden waren, bevor ein richterlicher Haftbeschluss vorlag. Ihre Beschwerden gegen die Ingewahrsamnahmen blieben vor den Amts- und Landgerichten erfolglos. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun klar, dass eine solche Freiheitsentziehung ohne vorherige richterliche Anordnung nur in Ausnahmefällen zulässig ist.


Bundesverfassungsgericht: Freiheitsentziehung ohne richterlichen Beschluss unzulässig

Nach Auffassung der Karlsruher Richter fehlte es in zwei Verfahren bereits an einer tauglichen gesetzlichen Grundlage für die Festnahme. Weder europäische Richtlinien noch § 62 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz in der damaligen Fassung erlaubten eine behördliche Ingewahrsamnahme zur Vorbereitung der Abschiebung, wenn eine richterliche Entscheidung noch nicht vorlag.

Zudem betonte das Gericht, dass der Richtervorbehalt aus Art. 104 Abs. 2 GG strikt zu beachten sei. Freiheitsentziehungen dürften grundsätzlich nur auf richterliche Anordnung erfolgen. Eine nachträgliche Entscheidung genüge nur, wenn die richterliche Anordnung aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig hätte eingeholt werden können. Dies sei in den entschiedenen Fällen nicht gegeben gewesen, da die Ausländerbehörden die Festnahmen geplant und ausreichend Zeit gehabt hätten, vorher einen Haftbeschluss zu beantragen.

Die Fachgerichte hätten zudem nicht hinreichend geprüft, ob die Amtsgerichte organisatorisch so aufgestellt waren, dass auch außerhalb regulärer Geschäftszeiten richterliche Entscheidungen eingeholt werden konnten. Die Annahme, nach 15 Uhr sei eine richterliche Entscheidung nicht mehr erreichbar gewesen, sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.


Konsequenzen für die Praxis der Abschiebungshaft

Die Beschlüsse aus Karlsruhe verdeutlichen die hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Freiheitsentziehungen im Zusammenhang mit Abschiebungen. Geplante Festnahmen dürfen nur auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung erfolgen; die bloße Vorbereitung oder Abstimmung mit den Gerichten ersetzt diese nicht. Auch kurze Zeiträume zwischen Festnahme und Beschluss genügen nicht, um den Richtervorbehalt zu umgehen.

Mit den Entscheidungen stärkt das Bundesverfassungsgericht den Schutz der persönlichen Freiheit und präzisiert die Anforderungen an Behörden und Gerichte bei der Durchführung von Abschiebungen.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner