
Ausländische Unternehmen haben in diesem Jahr so viel in Deutschland investiert wie lange nicht, zeigt eine neue Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). In unsicheren Zeiten scheint Deutschland für Investoren verlässlicherer zu sein – als die USA.
Von Januar bis Juli 2025 sind 334 Milliarden Euro Kapital nach Deutschland geflossen. Das ist mehr als das Zweieinhalbfache des Durchschnitts der vergangenen zehn Jahre (126 Milliarden Euro) und der zweithöchste Wert seit 2014, wie eine neue IW-Auswertung auf Basis von Bundesbank-Zahlen zeigt.
Besonders deutlich zeigt sich der Anstieg bei den Direktinvestitionen: In den ersten sieben Monaten dieses Jahres investierten ausländische Unternehmen rund 68 Milliarden Euro, 2024 waren es im gleichen Zeitraum nur knapp 49 Milliarden Euro. Zwar legten auch die Auslandsinvestitionen deutscher Firmen stark zu – von 52 Milliarden im ersten halben Jahr 2024 auf 76 Milliarden Euro im gleichen Zeitraum 2025. Unterm Strich ergibt sich nur noch ein geringes Defizit von weniger als acht Milliarden Euro.
Ist Deutschland der Einäugige unter den Blinden?
Die neuen Zahlen könnten ein erstes Anzeichen für einen Umschwung bei der Wirtschaftsstimmung und damit ein Hoffnungsschimmer für die ersehnte wirtschaftliche Erholung sein. Gut möglich ist aber auch, dass Investoren schlichtweg keine besseren Alternativen sehen: In China wächst die politische und wirtschaftliche Unsicherheit, in den USA sorgt Donald Trump für ständige Irritationen, Frankreich steckt politisch fest und droht in eine Schuldenkrise zu geraten, die Briten leiden unter hoher Inflation und hohen Staatsdefiziten. Im Vergleich dazu wirkt Deutschland trotz der Stagnation noch relativ stabil – wie der Einäugige unter den Blinden.
In diesen unsicheren Zeiten zählen offenbar die alten deutschen Tugenden wieder mehr: die ausgeprägte Rechtssicherheit sowie die hohe politische und wirtschaftliche Stabilität. Trotz zunehmender Schwächen zehrt Deutschland weiterhin von seinen alten Stärken: einer Innovationslandschaft, die Forschung, Unternehmen und Start-ups miteinander verbindet, gut ausgebildeten Fachkräften und der zentralen Lage in Europa.
Bundesregierung muss Kosten für Unternehmen senken
Die Zahlen sind dennoch mit Vorsicht zu interpretieren: Direktinvestitionen schwanken stark und sind häufig längerfristig geplant. Für viele Investoren dürfte der Standort zudem immer noch viel zu teuer sein – die Lohnstückkosten hierzulande waren zuletzt so hoch wie in fast keinem anderen Industrieland. Damit die positive Entwicklung anhält, muss die Bundesregierung im angekündigten Herbst der Reformen vor allem die Kosten für die Unternehmen senken: Helfen könnte eine konsequente Absenkung der Energiekosten sowie ein wirksamer Bürokratieabbau, etwa bei den deutschen und europäischen Lieferkettenberichtspflichten. Um die Arbeitskosten zu senken, führt zudem kein Weg an einer Reform des Sozialstaates vorbei.
IW, 25.09.2025