
Mit einem soeben verkündeten Urteil hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen (Einzelrichter) die Klage eines Stadtverordneten der Stadt Büdingen abgewiesen, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit mehrerer Äußerungen des bis zum 8. Juli 2024 amtierenden stellvertretenden Stadtverordnetenvorstehers sowie der Beschlussfassung über einen Antrag des Klägers ohne Aussprache begehrt wurde.
In einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Büdingen am 16. Juni 2023 stellte der Kläger einen Antrag, der die Anhebung der Temperaturen im städtischen Freibad zum Gegenstand hatte. In Abwesenheit des Klägers, der verspätet zur Sitzung erschien, wurde der Antrag von der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt, nachdem keiner der anwesenden Stadtverordneten nach entsprechender Rückfrage durch den stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher eine Aussprache wünschte.Inhaltlich bezeichnete der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher den Antrag des Klägers als „satirisch“ anmutend. Im weiteren Verlauf der Sitzung stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheides. Nach einem Wortwechsel zwischen dem Kläger und einem anderen Stadtverordneten rief der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Letzteren zur Ordnung und erklärte gegenüber dem Kläger, dass dieser ihn „ohne Ende“ nerve und dessen Antrag „Unfug“ sei.
In einer weiteren Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 19. April 2024 wies der Kläger den stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher angesichts eines durch Gespräche gestiegenen Geräuschpegels darauf hin, dass dieser darauf zu achten habe, dass es nicht zu laut werde. Daraufhin erklärte dieser, er achte auf die Sachen, die er für wichtig halte und verbitte sich diese „dämlichen Hinweise“ des Klägers. In einem sich anschließenden Dialog mit dem Kläger, der diese Bemerkung für rechtswidrig erachtete, erklärte der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher, er glaube, dem Kläger gehe es nicht ganz gut.
Mit seiner gegen den Stadtverordnetenvorsteher gerichteten Klage moniert der Kläger die vorgenannten Vorgänge und macht eine Verletzung seiner Rechte als Stadtverordneter geltend. Durch die Abstimmung ohne Aussprache seien sein Recht auf Begründung seines Antrages und sein Rederecht verletzt worden. Durch die ihm gegenüber erfolgten Äußerungen des stellvertretenden Stadtverordnetenvorstehers sei gegen die Neutralitätspflicht verstoßen und die Sitzung nicht sachlich, objektiv und unparteiisch geführt worden.
Dem ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt. Hinsichtlich der Beschlussfassung ohne Aussprache sei die Klage erfolglos, da die Rechtswidrigkeit der Beschlussfassung nicht gegenüber dem Stadtverordnetenvorsteher, sondern nur gegenüber der Stadtverordnetenversammlung selbst geltend werden könne. Das Vorziehen dieses Tagesordnungspunktes seitens des die Sitzung leitenden stellvertretenden Stadtverordnetenvorstehers sei als Geschäftsordnungsmaßnahme zudem rechtlich möglich, wenn – wie hier – mindestens die einfache Mehrheit der Stadtverordneten dem Vorziehen des Punktes zumindest in schlüssiger Form zugestimmt habe.
In Bezug auf die angegriffenen Bemerkungen des stellvertretenden Stadtverordnetenvorstehers sei der Stadtverordnetenvorsteher zwar richtiger Beklagter, da dieser sich die Äußerungen seines Stellvertreters zurechnen lassen müsse. Jedoch fehle dem Kläger das notwendige berechtigte Interesse an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bemerkungen. Dies folge daraus, dass der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher, der die Äußerungen getätigte habe, dieses Amt nicht mehr bekleide und die getätigten Äußerungen gerade Ausfluss einer persönlichen Einstellung zu den Handlungen des Klägers gewesen seien. Eine Wiederholungsgefahr sei daher nicht anzunehmen. Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers sei ebenfalls zu verneinen. Den Äußerungen des stellvertretenden Stadtverordnetenvorstehers komme – trotz der Presseberichterstattung über die Sitzungen – kein nachwirkender diskriminierender Charakter im Rechtssinne zu. Es handele sich vielmehr um Äußerungen und Handlungsweisen, die in politischen Sitzungen durchaus einmal erfolgen könnten, gerade wenn – wie offensichtlich im vorliegenden Fall – die Atmosphäre in der Sitzung in gewisser Weise aufgeheizt oder angespannt sei. Auch eine andauernde Stigmatisierung des Klägers sei nicht erkennbar.
Die Entscheidung (Urteil vom 23. Mai 2025, Az.: 8 K 1994/24.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.
VG Gießen, 23.05.2025