
Mit Beschluss vom 6. Mai 2025 hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster einer unmittelbar gegen gesetzliche Regelungen über Rechenschafts- und Berichtspflichten kommunaler Wählergruppen gerichteten Verfassungsbeschwerde teilweise stattgegeben.
Die Beschwerdeführerin, ein nicht-eingetragener Verein, ist seit dem Jahr 2004 im Rat einer Gemeinde als Fraktion vertreten. Sie machte geltend, für die durch das Gesetz über die Transparenz der Finanzierung kommunaler Wählergruppen und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften eingeführten Rechenschafts- und Berichtspflichten kommunaler Wählergruppen und die an deren Nichterfüllung geknüpften Rechtsfolgen fehle dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz. Außerdem verletzten diese Vorschriften den Grundsatz der Chancengleichheit im Zusammenhang mit Wahlen sowie ihr passives Wahlrecht.
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg, soweit sie sich gegen § 15a Abs. 1 Kommunalwahlgesetz (KWahlG) richtete. Diese Regelung schreibt vor, dass Wählergruppen, die nach dem Wählergruppentransparenzgesetz (WählGTranspG) einer Pflicht zur Rechenschaftslegung unterliegen, einen Wahlvorschlag nur einreichen können, wenn sie ihm die Bescheinigungen beifügen, die ihnen der Präsident des Landtags für die letzten zwei abgeschlossenen Rechnungsjahre erteilt hat. Hierin liegt eine verfassungswidrige Benachteiligung dieser Wählergruppen sowohl im Vergleich zu Wählergruppen, die dieser Pflicht nicht unterliegen, als auch im Vergleich zu politischen Parteien, die die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 GG verletzt. Deshalb hat der Verfassungsgerichtshof den § 15a Abs. 1 KWahlG für nichtig erklärt. Das bedeutet, dass von dieser Vorschrift keine Rechtswirkungen ausgehen und sie nicht zu befolgen ist.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen § 6 Abs. 1 WählGTranspG richtete, war sie unzulässig. Von dieser Regelung, wonach im Falle der Feststellung von Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht durch den Präsidenten des Landtages gegen die Wählergruppe ein Anspruch in Höhe des den unrichtigen Angaben entsprechenden Betrages entsteht, ist die Beschwerdeführerin nicht unmittelbar betroffen und damit nicht beschwerdebefugt.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die von § 2 Abs. 1 WählGTranspG auferlegte Pflicht zur Rechenschaftslegung wendete, war sie unbegründet. Die darin geregelte Beschränkung der Pflicht zur Rechenschaftslegung auf solche Wählergruppen, deren gewählte Vertreter aufgrund des bei der Kommunalwahl erzielten Ergebnisses in einer gewählten Vertretung aus eigener Kraft eine Fraktion oder Gruppe stellen können, begründet zwar eine Ungleichbehandlung dieser Wählergruppen mit solchen, die nur einen Vertreter in eine kommunale Vertretung entsenden. Diese Ungleichbehandlung ist aber mit der Erhöhung der Transparenz des demokratischen Prozesses auf kommunaler Ebene und der besseren Vergleichbarkeit von Parteien und Wählergruppen bei kommunalen Wahlen durch Gründe gerechtfertigt, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das dem Recht auf Wahl- bzw. Chancengleichheit der Beschwerdeführerin gegenüber anderen Wählergruppen die Waage halten kann.
Ohne Erfolg blieb die Verfassungsbeschwerde auch, soweit die Beschwerdeführerin eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Parteien durch § 3 Abs. 1 WählGTranspG rügte, wonach bei jährlichen Einnahmen von mehr als 10.000 € bzw. bei einem Vermögen der Wählergruppe von mehr als 10.000 € der Rechenschaftsbericht von einem Wirtschaftsprüfer, Steuerberater etc. zu prüfen ist. Insoweit fehlte es schon an einer Ungleichbehandlung zum Nachteil der Beschwerdeführerin.
VerfGH NRW, Beschluss vom 6. Mai 2025 – VerfGH 30/23.VB-2
VerfGH NRW, 08.05.2025