
BERLIN, 21. August (JPD) – Die Zahl der polizeilich registrierten Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist im Jahr 2024 nach jahrelangem Anstieg nahezu konstant geblieben. Nach dem am Donnerstag vorgestellten Bundeslagebild wurden 16.354 Fälle des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern registriert, 0,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren stellte die Polizei 1.191 Missbrauchsfälle fest, ebenfalls ein leichter Rückgang. Damit liegen die Zahlen weiterhin über dem Fünf-Jahres-Durchschnitt und bleiben nach Einschätzung der Behörden auf einem inakzeptabel hohen Niveau.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt bezeichnete die Entwicklung als „erschütternd hoch“ und kündigte an, die Speicherung von IP-Adressen einzuführen, um Täter besser identifizieren zu können. „Jeder Täter muss konsequent verfolgt werden“, sagte Dobrindt. Auch BKA-Präsident Holger Münch hob hervor, dass die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche weiterhin ein Schwerpunkt bleibe. Das BKA habe die personellen Kapazitäten aufgestockt und baue technische Fähigkeiten aus, um Täter schneller zu identifizieren und Plattformen im sogenannten Darknet zu zerschlagen.
Einen Höchstwert erreichten im Jahr 2024 die Delikte im Zusammenhang mit jugendpornografischen Inhalten. Mit 9.601 Fällen – ein Plus von 8,5 Prozent – haben sich diese seit 2020 mehr als verdreifacht. Fast die Hälfte der Tatverdächtigen in diesem Bereich sind Minderjährige. Viele davon zählen nach Behördenangaben zum Phänomen der „Selbstfilmenden“ oder leiten Darstellungen unbedacht an Gleichaltrige weiter, oft ohne Bewusstsein für die strafrechtliche Relevanz. Dagegen ging die Zahl der Fälle von kinderpornografischen Inhalten und der sexuellen Ausbeutung Minderjähriger zwar leicht zurück, blieb mit 42.854 registrierten Delikten aber auf hohem Niveau.
Nach Angaben des BKA gingen 2024 insgesamt 205.728 Hinweise des US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) in Deutschland ein. Etwas mehr als die Hälfte (106.353 Hinweise) war nach deutschem Recht strafrechtlich relevant. Die Hinweise werden im BKA gesichtet, um Anknüpfungspunkte für Ermittlungsverfahren zu gewinnen. Teilweise übernimmt das BKA die Ermittlungen selbst oder unterstützt die Polizeibehörden der Länder.
Das Internet bleibt ein zentraler Tatort: Cybergrooming, Livestreaming und sogenannte Sextortion seien weiterhin weit verbreitet, so das Lagebild. Beim Livestreaming können Täter Missbrauchshandlungen in Echtzeit verfolgen und teilweise sogar beeinflussen, während Sextortion häufig der Erpressung mit der Drohung der Veröffentlichung intimer Aufnahmen dient.
Die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, betonte die Verantwortung der Gesellschaft, Kinder im digitalen Raum besser zu schützen. Die steigenden Zahlen jugendpornografischer Inhalte müssten alle „aufrütteln“. Plattformbetreiber und Politik müssten „Safe Spaces“ für Kinder schaffen.
Im Jahr 2024 wurden in den registrierten Missbrauchsfällen 18.085 Opfer gezählt, 2,2 Prozent weniger als 2023. Zugleich stieg die Zahl der Tatverdächtigen um 3,9 Prozent auf 12.368. Bei den Jugendlichen wurden 1.259 Opfer festgestellt (minus 1,4 Prozent), während die Zahl der Tatverdächtigen auf 1.018 zunahm (plus 6,8 Prozent).
Das Bundeslagebild „Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“ basiert auf den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), eingegangenen Hinweisen des NCMEC sowie weiteren Meldungen von Landeskriminalämtern, Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Zoll. Es liefert eine umfassende Analyse zur Entwicklung der Fallzahlen, Tatverdächtigenstrukturen und Tatphänomene.