Handy geklaut, Mofa frisiert: Die Fälle sind echt, die Richterinnen und Richter sind so jung wie die Beschuldigten. Im Rahmen des Projekts Teen Court verhandeln Schülerinnen und Schüler die Straftaten von Gleichaltrigen. Auf Einladung des bayerischen Justizministers Georg Eisenreich kamen gestern (12. Juli) mehr als 100 bayerische Schülerrichterinnen und -richter in den Münchner Justizpalast. Dort ehrte der Justizminister sie für ihr rechtsstaatliches Engagement.

Das deutschlandweit erste Teen-Court-Projekt wurde im Jahr 2000 in Aschaffenburg gegründet. Mittlerweile gibt es im Freistaat Bayern zwölf Schülergerichte: Neben Aschaffenburg in München, Augsburg, Ingolstadt, Passau, Regensburg, Landshut, Ansbach, Memmingen, Neu-Ulm, Deggendorf und Dillingen. Der Minister: „Schülergerichte sind ein bayerisches Erfolgsmodell. Seit mehr als 20 Jahrenarbeiten Justiz, lokale soziale Einrichtungen und junge Menschen zusammen. In den Teen Courts findet dann ein Dialog auf Augenhöhe statt, und es wird gemeinsam eine Sanktion erarbeitet. Die Schülerrichterinnen und -richter in Bayern haben allein im Jahr 2022 mehr als 320 Fälle verhandelt.“

Wie funktioniert das Schülergericht?

  • Die Staatsanwaltschaften können geeignete Jugendsachen an die Schülergerichte weitergeben (schwere Straftaten sind ausgenommen).
  • Bei den Straftaten handelt es sich meist um typische Jugenddelikte wie Ladendiebstahl, Sachbeschädigung oder leichte Körperverletzung.
  • Verhandelt wird nicht im Gerichtssaal, sondern am runden Tisch. Dort stellen sich junge Straftäter einem Gremium aus drei Schülerrichterinnen und -richtern in Begleitung von Sozialpädagogen.Eisenreich: „Sie arbeiten die Tat in einem intensiven Gespräch gemeinsam auf; vor allem Hintergründe, Motive und Folgen der Tat werden beleuchtet. Auf Augenhöhe wird eine erzieherische Maßnahme als Reaktion auf die Straftat erarbeitet. Damit erreichen wir eine höhere Akzeptanz.“ Auch für die Schülerrichter sei das Projekt ein Gewinn: „Die Schülerrichterinnen und -richter übernehmen Verantwortung und setzen sich für die Durchsetzung des Rechts ein. Ihre Erfahrungen geben sie an ihre Mitschüler weiter. Das stärkt unseren Rechtsstaat über das Projekt hinaus.“
  • Statt eines Urteils vereinbaren die jungen Richterinnen und Richter mit dem Täter eine erzieherische Maßnahme, z. B. Arbeitsleistung, Handy-Entzug, Aufsatz oder Referat. Die Schülerrichter wachen über das Einhalten der Maßnahmen. Danach stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren in der Regel ein. Sie kann aber auch Anklage erheben, insbesondere wenn die Auflagen nicht erfüllt worden sind.

Zudem besichtigten die Schülerrichterinnen und -richter die neu gestaltete Dauerausstellung „Willkür im Namen des Deutschen Volkes“ im Saal 253 des Münchner Justizpalastes – ein Originalschauplatz, an dem im April 1943 der zweite Prozess gegen 14 Angeklagte der Weißen Rose stattfand. Die Ausstellung führt die Zerstörung des Rechtsstaats durch die Nationalsozialisten eindrücklich vor Augen. Danebenstand ein Besuch der DenkStätte Weiße Rose am Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität Münchenauf dem Programm der Schülerinnen und Schüler. 

Bayerns Justizminister: „Staat und Gesellschaft müssen sich konsequent gegen Hass, Ausgrenzung und antidemokratisches Denken wehren. Daran erinnern uns die Schicksale der Widerstandskämpfer der Weißen Rose. Die Ausstellungen zeigen uns wichtige Lehren für die Gegenwart auf. Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat, Frieden und Freiheit, sind nicht selbstverständlich. Mit ihrem Engagement leisten die Schülerrichterinnen und Schülerrichter einen wichtigen Beitrag für unseren Rechtsstaat und damit auch für unsere Demokratie. Hierfür danke ich allen Schülerrichterinnen und Schülerrichtern und allen Beteiligten der Staatsanwaltschaften, sozialen Trägern und Schulen, die die Teen Court Projekte erst möglich machen. Allen Schülerrichterinnen und Schülerrichtern wünsche ich weiterhin viel Erfolg für ihre Arbeit und – noch wichtiger – stets ausgewogene Entscheidungen.“

(c) StMJ, 13.07.2023

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