
Berlin, 18. November 2025 (JPD) – Das Thüringer Oberlandesgericht hat die biometrische Überwachung von Studierenden bei Online-Prüfungen für rechtswidrig erklärt. Nach dem Urteil verstößt die Verarbeitung von Gesichtserkennungsdaten im Rahmen digitaler Prüfungsaufsicht gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Geklagt hatten die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), eine Studierende der Universität Erfurt sowie der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs).
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob Hochschulen während der Pandemie Prüfungsaufsicht per sogenanntem Proctoring einsetzen durften, wenn dabei biometrische Daten erhoben werden. Nach Ansicht des Gerichts greift eine solche Praxis tief in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Biometrische Daten dürften nur in eng begrenzten Ausnahmefällen verarbeitet werden, was beim Einsatz gängiger Proctoring-Software nicht gewährleistet sei. Das Urteil hat damit Bedeutung weit über den Hochschulbereich hinaus, etwa für Formen biometrischer Überwachung am Arbeitsplatz.
OLG untersagt biometrische Online-Prüfungsaufsicht
Die Universität Erfurt nutzte während der Pandemie die Anwendung Wiseflow, die zur Identitätskontrolle Gesichtserkennungsverfahren einsetzt. Die Software wertete die Videoaufnahmen der Studierenden automatisiert aus und übermittelte Daten an den Dienstleister Amazon Web Services. Das Gericht bewertete diese Verarbeitung besonders sensibler Informationen als unzulässig und sprach der Klägerin Schadensersatz zu. Nach Angaben der GFF birgt Proctoring zudem ein erhöhtes Risiko diskriminierender Fehlerquoten, etwa bei der Erkennung nicht-weißer Gesichter.
Studierende berichteten im Verfahren von erheblichen Belastungen durch die eingesetzte Technik. Die Klägerin erklärte, sie habe die Funktionsweise der Software und den Umgang mit ihren Daten nicht überblicken können, sei jedoch mangels Alternativen zum Einsatz verpflichtet gewesen. Unterstützt durch die GFF und den fzs hatte sie im Oktober 2022 zunächst vor dem Landgericht Erfurt Klage erhoben. Nachdem die Klageinstanz im November 2024 einen Schaden verneint hatte, legte sie Berufung ein. Vor dem Oberlandesgericht wurde sie von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten der Kanzlei Spirit Legal vertreten.
Das Urteil könnte Hochschulen künftig zu datenschutzkonformen Prüfungsformaten verpflichten. Die GFF fordert, Studierende auch in digitalen Prüfungssituationen vor übermäßigen Eingriffen in ihre Privatsphäre zu schützen. Nach Einschätzung der Organisation setzt die Entscheidung klare Grenzen für den Einsatz biometrischer Technologien im Bildungsbereich.