
Die Bundesregierung nutzt das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität nur teilweise für neue Projekte. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird bis 2029 rund jeder zweite Euro zweckentfremdet. Dabei bedienen sich Union und SPD einer ganzen Reihe von Tricks.
Das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität sollte den Investitionsstau lösen. Mit 500 Milliarden Euro wollte die Bundesregierung Brücken, Bahn und Schulen sanieren und die Transformation voranbringen – zusätzlich zum regulären Haushalt. Davon ist wenig geblieben. Stattdessen nutzt Schwarz-Rot das Geld, um Lücken im Haushalt zu stopfen. Neue IW-Berechnungen zeigen: Von den neuen Krediten in Höhe von 271 Milliarden Euro bis 2029 werden bis zu 133 Milliarden, also fast 50 Prozent, zweckentfremdet. Das Sondervermögen verkommt so zu einem Verschiebebahnhof.
Buchungstricks und Etikettenschwindel
Formell erfüllt die Bundesregierung die gesetzlich festgelegte „Zusätzlichkeit“ zwar. Praktisch finanziert sie damit aber Projekte, die bereits im regulären Haushalt geplant waren. Dabei bedient sich die Regierung einer ganzen Reihe von Tricks. Das fängt schon mit dem Gesetz an sich an: Die Investitionsquote von zehn Prozent, ab der alle weiteren Ausgaben als zusätzlich gelten, ist ambitionslos gewählt – 2024 lag sie bereits bei elf Prozent. Zudem wird sie willkürlich interpretiert: So bezieht die Bundesregierung auch Verteidigungsinvestitionen mit ein, obwohl diese Ausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Für den Länderanteil gibt es zudem keine Quote.
Daneben nutzen Union und SPD kreative Buchungstricks, um Investitionen zwischen Haushalt und Sondervermögen zu verschieben. Bereits geplante Ausgaben wandern ins Sondervermögen, etwa für Brücken, Schulen oder Krankenhäuser. So deckt das Sondervermögen im Jahr 2026 auch sechs Milliarden Euro für Krankenhäuser ab, die laut ursprünglichen Plänen von Ländern und Krankenkassen finanziert werden sollten. Gleichzeitig erhöht die Koalition andere Posten im Kernhaushalt, die zwar formell als Investitionen gelten, etwa Umschuldungen oder Rückstellungen, aber faktisch keine Infrastruktur verbessern.
Kein neues Wachstum
„Mit diesem Verschiebebahnhof gefährden Bund und Länder die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“, sagt IW-Experte Tobias Hentze. Das Sondervermögen sei grundsätzlich richtig, um die marode Infrastruktur und die dringend notwendige Transformation schnell voranzubringen. Tatsächlich würden damit jedoch zum Teil Haushaltslöcher gestopft und Wunschprojekte der Regierung wie die Mütterrente finanziert. „Die Politik muss einhalten, was sie versprochen hat: zusätzliche Projekte für Infrastruktur und Klimaneutralität auf den Weg zu bringen. Sonst vergibt sie die Chance auf langfristiges Wachstum“, mahnt Hentze.