
Halle, 14. Oktober 2025 (JPD) – Wer selbst Teil des kriminellen Milieus ist, kann bei einer Gewalttat keine staatliche Opferentschädigung beanspruchen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt in Halle entschieden. Ein Mann, der 2012 in Berlin bei einer Schlägerei angeschossen wurde, erhält demnach keine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Die Richter stuften eine Entschädigungsleistung als „unbillig“ ein, da der Kläger selbst aus einem rechtsfeindlichen Umfeld stamme und der Angriff in Zusammenhang mit seinen kriminellen Aktivitäten stand (Az. L 4 VE 4/24).
Keine Opferentschädigung bei Schussverletzung im kriminellen Milieu
Der damals 33-jährige Kläger war 2012 zu einem Gebrauchtwagenhändler nach Berlin gereist, mit dem er geschäftliche Beziehungen unterhielt. Vor Ort kam es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen von jeweils mehreren Personen, bei der unter anderem Baseballschläger und Eisenstangen eingesetzt wurden. Schließlich fielen Schüsse, durch die der Mann am Oberschenkel verletzt wurde.
Fünf Jahre später beantragte er eine Entschädigung nach dem OEG, weil er infolge der Verletzung unter körperlichen und psychischen Beschwerden leide. Sowohl die zuständige Behörde als auch das Sozialgericht lehnten den Antrag ab – nun bestätigte das LSG diese Entscheidung. Zwar sei der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden, eine staatliche Entschädigung komme jedoch nicht in Betracht, wenn deren Gewährung als unbillig erscheine.
Gericht: Kläger handelte in „rechtsfeindlichem Umfeld“
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kläger einem kriminellen Milieu angehörte. Mehrere Beteiligte der Schlägerei seien polizeibekannt gewesen, und der Kläger habe bei der Aufklärung der Tat nicht mitgewirkt. Zudem habe er laut Telefonüberwachung versucht, die Angelegenheit eigenmächtig zu regeln – ein Verhalten, das nach Auffassung des LSG „milieutypisch“ sei. Auch seine Aussagen während der polizeilichen Vernehmung, in denen er „szenetypisches Fachwissen“ erkennen ließ, hätten diesen Eindruck bestätigt.
Mit dem Urteil knüpft das LSG an eine gefestigte Rechtsprechung an: Wer sich als Zuhälter, Rauschgifthändler oder in anderer Weise rechtsfeindlich betätigt und im Zuge solcher Rivalitäten selbst Opfer von Gewalt wird, soll keinen Anspruch auf Versorgung aus öffentlichen Mitteln haben.
Das Urteil vom 8. Mai 2025 ist rechtskräftig.
Hintergrund: Opferentschädigung nach OEG und SGB XIV
Bis Ende 2023 regelte das Opferentschädigungsgesetz (OEG) den Anspruch auf staatliche Leistungen für Opfer von Gewalttaten. Seit dem 1. Januar 2024 gilt das Vierzehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV – Soziale Entschädigung).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhalten Personen, die infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erleiden, auf Antrag eine Versorgung nach den Grundsätzen des Bundesversorgungsgesetzes.
Gemäß § 2 Abs. 1 OEG sind Leistungen jedoch zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung selbst verursacht hat oder eine Entschädigung aus anderen Gründen – etwa wegen eigener rechtsfeindlicher Handlungen – als unbillig anzusehen ist.