
Bei einer Anhörung des Innenausschusses zum novellierten BKA-Gesetz wurde deutlicher Reformbedarf festgestellt, insbesondere hinsichtlich des neuen § 30a und der Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorgaben. Mehrere Sachverständige kritisierten das Verfahren als überhastet, obwohl das Bundesverfassungsgericht die Frist zur Gesetzesanpassung bis März 2026 verlängert hat. Während einige Experten die Entwürfe als verfassungskonform lobten, fordern andere eine umfassendere, kohärente Reform im Sinne der Grundrechte und einer praxistauglichen Polizeiarbeit.
Bei der Novellierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BKA-Gesetz) besteht Nachbesserungsbedarf. Das ist das Ergebnis einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag. Mit den Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD „zur Anpassung von Regelungen über den polizeilichen Informationsverbund im Bundeskriminalamtgesetz“ (21/324) sowie „zur Anpassung der Befugnis zur Datenerhebung bei Kontaktpersonen im Bundeskriminalamtgesetz“ (21/325) sollen Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Oktober 2024 umgesetzt werden. Dabei hatten die Karlsruher Richter ursprünglich eine Frist bis zum 31. Juli 2025 zur Umsetzung gesetzt. Da die Frist inzwischen in den März 2026 verlängert wurde, sprachen sich einige Sachverständige dafür aus, sich mehr Zeit für die Diskussion und Prüfung der Neuordnung zu nehmen und kritisierten die aus ihrer Sicht zu kurzfristige Anberaumung der Anhörung.
Der geschäftsführende Vorsitzende des Innenausschusses, Thomas Silberhorn (CDU/CSU), erläuterte das Zustandekommen des Termins. Zum Zeitpunkt der Festlegung der Anhörung habe man noch davon ausgehen müssen, dass die Anpassung noch in dieser Sitzungswoche den Bundestag passieren müsse, um bis zum 31. Juli 2025 Geltung erlangen zu können.
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Professor Louisa Specht-Riemenschneider, sprach sich angesichts der Fristverschiebung dafür aus, die Vorschriften des BKA-Gesetzes insgesamt und „aus einem Guss“ gründlich zu überarbeiten. Mehrere Änderungen mit unterschiedlichen Gesetzentwürfen würden ein größeres Risiko für rechtssystematische Unklarheiten bergen, sagte sie. Um eine effektive Polizeiarbeit zu sichern und die Grundrechte betroffener Personen wahren zu können, sei es wichtig, die Regelungen des BKA-Gesetzes gründlich, praxistauglich und auch rechtssystematisch zu überarbeiten.
Gerade mit Blick auf das Programm P 20, die geplante digitale Transformation der deutschen Polizei, sei diese Rechtsklarheit essentiell, um künftig Fehler bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten im polizeilichen Informationsverbund zu verhindern. Besonders Paragraf 30a des Gesetzentwurfs zur Anpassung von Regelungen über den polizeilichen Informationsverbund im Bundeskriminalamtgesetz, der Regelungen für die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten im polizeilichen Informationsverbund enthält, weise rechtssystematische Defizite auf, befand Specht-Riemenschneider.
Gerwin Moldenhauer, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, begrüßte die beiden Entwürfe. Sie böten praxisgerechte Lösungen, die die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts vollumfänglich umsetzten, befand er. Dabei stelle die Regelung zur vorsorgenden Speicherung im Informationsverbund eine Herausforderung dar. Der Dreiklang des Gerichts laute: angemessene Speicherzwecke, angemessene Speicherschwellen und angemessene Speicherdauer. Paragraf 30a Absatz 2 bediene sich für die ersten beiden Punkte des bewährten Instruments der Negativprognose, sagte Moldenhauer. Hier könne der Prognosemaßstab harmonisiert werden. Schließlich sollten auch die Fälle erfasst werden, „bei denen die Straftat vor der Prognoseentscheidung begangen wird, aber erst danach bekannt wird“.
Was die Überwachung von Kontaktpersonen angeht, so plädierte er für die Erfassung „gutgläubiger Kontaktpersonen“ – also etwa einer „gutgläubigen Freundin, wenn die Gefahr besteht, dass dort Tatmittel gelagert werden“.
Marina Hackenbroch, stellvertretende Bundesvorsitzende beim Bund Deutscher Kriminalbeamter, begrüßte die vorliegenden Gesetzentwürfe ausdrücklich. Die Änderungen setzten zentrale Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts um und schafften eine verfassungskonforme Grundlage für die Arbeit des BKA und der deutschen Polizei. Hackenbroch verwies zugleich darauf, dass die Umsetzung dieser und anderer gesetzlicher Anforderungen mit erheblichen Herausforderungen für die tägliche Polizeiarbeit verbunden sei.
Bei jeder Datenverarbeitung müssten komplexe rechtliche Voraussetzungen geprüft, dokumentiert und begründet werden. All dies könne in der Praxis zu Verzögerungen, Informationsverlusten und Unsicherheit bei Polizistinnen und Polizisten führen, „wenn ihnen nicht mit ausreichender technischer Unterstützung, klaren Standards, notwendiger Aus- und Fortbildung und verlässlicher bundesweiter Infrastruktur begegnet wird“.
Darüber hinaus bedarf es aus Sicht des Bundes Deutscher Kriminalbeamter einer grundlegenden Überprüfung des Paragrafen 30 BKA-Gesetz. Die dort vorgesehene Einschränkung der Informationsbereitstellung auf „verbundrelevante“ Daten sei nicht mehr zeitgemäß und widerspräche dem polizeilichen Erfordernis, sicherheitsrelevante Informationen bundesweit verfügbar zu machen, sagte sie.
BKA-Vizepräsident Sven Kurenbach machte deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht nicht die polizeilichen Maßnahmen als solche bemängelt habe, „sondern die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung“. Die nun in den Entwürfen geforderte Negativprognose sei nicht grundsätzlich neu für die Polizei. Im BKA werde dies bereits praktisch umgesetzt.
Beide Vorhaben sind aus seiner Sicht erforderlich, um die Vorgaben des Gerichts umzusetzen. „Gleichwohl entstehen dadurch weitere Aufwände in der polizeilichen Praxis.“ Das gelte sowohl für die Prüfung als auch für die Dokumentation. Laut Kurenbach sind für das BKA keine großen Änderungen in der Praxis zu erwarten, weil eine Umstellung der internen Arbeitsprozesse schon vorgenommen worden sei.
Insbesondere mit Blick auf die Verlängerung der Frist ist aus Sicht von Professor Matthias Rossi von der Universität Augsburg „keine besondere Eilbedürftigkeit erkennbar“. Vielmehr sollte seiner Ansicht nach das reguläre Gesetzgebungsverfahren mit all seinen Verfahrensschritten genutzt werden, um das BKA-Gesetz „nicht nur punktuell zu ergänzen, sondern in kohärenter Weise fortzuentwickeln“.
Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren werde jedoch weder der besonderen Bedeutung der Aufgaben und Arbeit des BKA noch der grundlegenden Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerecht, urteilte Rossi. Es schaffe nicht die Rechtssicherheit, die für das BKA ebenso notwendig sei wie für alle Betroffenen. Vielmehr zeichne sich ab, dass das Gesetz erneut auf den Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts gelangen wird, „und das Gericht sodann diejenigen Festlegungen treffen wird und treffen muss, die an sich dem parlamentarischen Gesetzgeber obliegen“.
Auch Professor Clemens Arzt von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin äußerte Unverständnis für den Gesetzgebungsprozess. Das gelte umso mehr, da die Koalition offenbar plane, Änderungen im Waffenrecht, die mit dem BKA-Gesetz nichts zu tun hätten, im Omnibusverfahren mitzubeschließen, sagte er.
Mit Blick auf den neuen Paragrafen 30a BKA-Gesetz kam Arzt zu der Einschätzung, dass dies nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspräche. Die Regelungsvorschläge seien dringend überarbeitungsbedürftig und in dieser Version mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar.
HiB Nr. 234, 23.06.2025