
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat heute gemeinsam mit dem Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Sinan Selen, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 vorgestellt.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt: „Die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands ist fast täglich Angriffen ausgesetzt. Extremisten stellen das Existenzrecht Israels in Frage und rufen zur Gewalt gegen Juden und Jüdinnen in unserem Land auf. Islamisten gehen aus religiöser Verblendung mit Messern auf Menschen auf offener Straße los. Rechtsterroristen planen den Umsturz unseres freiheitlich demokratischen Systems. Wir wehren uns mit allen Mitteln gegen die Feinde unserer Demokratie: Unsere Sicherheitsbehörden sind wachsam. Sie arbeiten Tag und Nacht daran, um unsere Sicherheit und unsere Freiheit zu schützen. Mein Dank gilt allen, die sich täglich im Bund und im Land für den Schutz unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung einsetzen und dafür arbeiten diese Angriffe abzuwehren. Der Verfassungsschutz ist unverzichtbar als effektives Frühwarnsystem und wichtiger Schutzwall gegen Demokratiefeinde aller Art.“
BfV-Vizepräsident Sinan Selen: „In einer komplexen Bedrohungslage muss Deutschland seine Sicherheitsinteressen behaupten. Als deutscher Abwehrdienst bewältigt das BfV gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern ein äußerst anspruchsvolles Aufgabenpensum, um die freiheitliche demokratische Grundordnung gegen multidimensionale Angriffe zu verteidigen.“
Für das Jahr 2024 wurden insgesamt 57.701 Straftaten mit extremistischem Hintergrund ausgewiesen (2023: 39.433) – erneut ein Höchststand und eine Steigerung von mehr als 46 Prozent. Darunter waren 2.976 (2023: 2.761) Gewalttaten.
Der Bericht enthält erneut ein phänomenübergreifendes Sonderkapitel zu den Auswirkungen des Nahostkonflikts und zum Antisemitismus. Unterschiedliche extremistische Akteure nutzten den Konflikt weiterhin, um zu Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden oder den Staat Israel aufzurufen oder sein Existenzrecht zu verneinen. Antisemitismus und Israelfeindlichkeit sind verbindende Elemente zwischen diesen Akteuren und haben ein starkes Emotionalisierungs- und Mobilisierungspotenzial.
Spionage, Sabotage, Transnationale Repression, illegitime Einflussnahme, Desinformationskampagnen und Cyberangriffestellen eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands dar. Die Russische Föderation, die Volksrepublik China und die Islamische Republik Iran sind weiterhin die Hauptakteure. Russland schreckt inzwischen vor robusten Vorgehensweisen, wie Spionage und Sabotage mittels angeworbener ungeschulter Einzeltäter – so genannten Low Level Agents – nicht zurück. Propaganda und Desinformation haben vor allem im Zeitraum vor der Bundestagswahl deutlich an Intensität gewonnen. Die Vorgehensweise derchinesischen Cyberakteure hat sich technisch deutlich weiterentwickelt und führte zu einer Steigerung von Reichweite und Effektivität.
Im Rechtsextremismus ist das Personenpotenzial weiter stark angewachsen und liegt bei 50.250 (2023: 40.600). Der Anteil der gewaltorientierten Rechtsextremisten ist auf nunmehr 15.300 (2023: 14.500) gestiegen. Insbesondere die islamistisch motivierten Gewalttaten von Mannheim und Solingen rückten den Komplex „Asyl und Migration“ erneut in den Mittelpunkt rechtsextremistischer Agitation. Das Internet ist häufig ein „Katalysator“ der Radikalisierung, was vor allem für sehr junge Menschen eine Gefahr darstellt. 2024 ist auch das Personenpotenzial der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ auf insgesamt 26.000 (2023: 25.000) angewachsen. Das gewaltorientierte Personenpotenzial liegt bei 2.600 Personen (2023: 2.500). Daneben war das Thema „Queerfeindlichkeit“ bei rechtsextremistischen Demonstrationen verstärkt im Fokus. Besorgniserregend ist die zunehmende Entgrenzung zwischen verschiedenen Gruppierungen und Teilphänomenen des Rechtsextremismus.
Das linksextremistische Personenpotenzial ist im Jahr 2024 auf insgesamt 38.000 Personen gestiegen (2023: 37.000). Mehr als jeder vierte Linksextremist ist als gewaltorientiert einzuschätzen. Gewaltorientierte Linksextremisten griffen immer wieder gezielt Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur an und verursachten dadurch Schäden in Millionenhöhe. Außerdem kam es im Zusammenhang mit Wahlen vermehrt zu Straftaten gegen Parteien sowie Politikerinnen und Politiker.
Im Bereich Islamismus/islamistischer Terrorismus ist das Personenpotenzial auf 28.280 gestiegen (2023: 27.200). Das gewaltorientierte islamistische Personenpotenzial wird auf 9.540 geschätzt. Die beiden Anschläge von Mannheim und Solingen haben gezeigt, dass die bei Weitem größte islamistisch-terroristische Bedrohung in und für Deutschland vom Jihadismus des IS ausgeht. Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland sowie für deutsche Interessen und Einrichtungen weltweit besteht fort. Infolge des Nahostkonflikts kam es zu einer Intensivierung und Ausweitung der Aktivitäten von HAMAS und „Hizb Allah“ auch in Deutschland. Dies trägt zu einer abstrakt erhöhten Gefährdung israelischer und jüdischer Ziele bei. Bisher getrennt und unterschiedlich agierende islamistische Gruppierungen rückten unter dem Einfluss des Krieges im Nahen Osten näher zusammen.
Das Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus ist im Vergleich zum Vorjahr mit 32.500 Personen (2023: 30.650) weiter angestiegen. Das gewaltorientierte Personenpotenzial in diesem Bereich umfasst 22.000 Personen. Die zahlenmäßig bedeutsamste Organisation in Deutschland ist weiterhin die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) mit 15.000 Anhängern (2023: 15.000). Auch 2024 gab es zahlreiche Proteste und Versammlungen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt, wenn auch in abnehmender Anzahl.
Den Verfassungsschutzbericht 2024 finden Sie unter:
www.bmi.bund.de/VSB2024www.verfassungsschutz.de
BMI, 10.06.2025