
Der Staatsminister des Innern, Armin Schuster, und der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen, Dirk-Martin Christian, haben heute im Kabinett den sächsischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 vorgestellt.
Im Bericht wird die Entwicklung der beobachteten Phänomenbereiche Rechts- und Linksextremismus, Reichsbürger und Selbstverwalter, Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, Islamismus, sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug analysiert sowie über Spionageaktivitäten informiert.
Staatsminister des Innern Armin Schuster: »Der Verfassungsschutz liefert mit seinen Analysen und Beobachtungen eine wichtige Grundlage für die Wehrhaftigkeit des Staates gegen Extremisten und Verfassungsfeinde aus jeder Richtung.«
Folgende Schwerpunkte ergeben sich aus dem Bericht 2024:
Verjüngung in allen Phänomenbereichen
Innenminister Armin Schuster: »Der Verfassungsschutz stellt fest, dass die Radikalisierung in allen Szenen bereits im Kindes- und Jugendalter beginnt. Wenn der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem noch vor den Strafverfolgungsbehörden diese besorgniserregende Entwicklung beobachtet, dann ist die gesamte Gesellschaft gefordert. Für den Verfassungsschutz stellt sich die Frage, wie lange die Altersgrenze zur Erfassung erst ab 14 Jahren noch ausreichend ist.«
LfV-Präsident Dirk-Martin Christian: »Besonders besorgniserregend ist insbesondere die Verjüngung von Rechtsextremisten, die wir seit den Anti-CSD-Protesten im vergangenen Jahr sehr deutlich wahrnehmen. Der Gewöhnungseffekt, wenn Rechtsextremisten beispielsweise aufgrund von Wahlerfolgen plötzlich dazugehören, macht offenbar etwas mit der Gesellschaft. Der deutliche Stimmenzuwachs für die AfD und die ‚Freien Sachsen‘ bei den zurückliegenden Kommunal- bzw. Landtagswahlen belegt einmal mehr, wie weit der Prozess der Normalitätsverschiebung bereits fortgeschritten ist. Daher stellt der Rechtsextremismus unverändert die größte Herausforderung für unsere Demokratie dar. Das Personenpotenzial stieg auf insgesamt etwa 6.000 Personen.«
Radikalisierung und Zunahme der Gewaltbereitschaft
Innenminister Armin Schuster: »Der anhaltende Trend der Verjüngung wird begleitet von einer weiterhin gesteigerten Gewaltbereitschaft. Wichtig ist, dass der Verfassungsschutz Radikalisierung und Gewaltpotentiale frühzeitig erkennt, damit schnell und konsequent eingegriffen werden kann. Die Beobachtungen des Verfassungsschutzes zeigen, dass hoher Verfolgungsdruck und erfolgreiche Exekutivmaßnahmen im zurückliegenden Jahr sowohl im Bereich Links- als auch Rechtsextremismus deutlich Wirkung gezeigt haben.«
LfV-Präsident Dirk-Martin Christian: »Zum Beispiel können bestimmte Narrative im Islamismus der Nährboden für Hass und Gewalt und geeignet sein, das friedliche Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften zu untergraben und weitere Radikalisierungen zu fördern. Auch im Islamismus gilt, was für sämtliche Phänomenbereiche zutrifft: aus Worten können Taten werden. Mit der Übertragung von Predigten und Vorträgen im Internet erzielen Salafisten nicht nur eine enorme Reichweite, sondern können einen unüberschaubaren Personenkreis jeden Alters erreichen. Die Ideologie erreicht also auch hier problemlos die Kinderzimmer. Das Personenpotenzial im Islamismus bewegt sich im Freistaat Sachsen im Bundesvergleich mit 400 Personen unverändert auf niedrigem Niveau.«
Steigender Antisemitismus in allen Phänomenbereichen getriggert durch Nahostkonflikt
Innenminister Armin Schuster: »Die fortschreitende Vernetzung zwischen Linksextremisten und auslandsbezogenen Extremisten vor allem bei pro-palästinensischen Aktivitäten in Sachsen gibt Grund zu höchster Aufmerksamkeit. Die Geschichte der alten Bundesrepublik zeigt, welches Bedrohungspotential aus dieser Verbindung erwachsen kann.«
LfV-Präsident Dirk-Martin Christian: »Die Entwicklungen im Nahostkonflikt haben inzwischen dazu geführt, dass sich mit ‚Young Struggle Leipzig‘ und ‚Handala e. V.‘ zwei Gruppierungen im auslandsbezogenen Extremismus etabliert haben, denen insgesamt ca. 35 Personen zugerechnet werden. Sie fielen im Berichtsjahr durch zahlreiche Posts in den sozialen Medien sowie durch Reden bei pro-palästinensischen Versammlungen in Leipzig auf. Dabei wurde israelfeindliche und antisemitische Propaganda verbreitet und die Verbrechen der ‚Hamas‘ gegen den Staat Israel umgedeutet, verharmlost oder gar legitimiert. Außerdem setzten sich im Linksextremismus die Konfliktlinien zwischen den antideutschen, proisraelischen Positionen der Autonomen und den antiimperialistischen, pro-palästinensischen bzw. israelfeindlichen Positionen der dogmatischen Gruppierungen fort.«
Cyberspionage und hybride Bedrohung spiegelt die geopolitische Situation
Innenminister Armin Schuster: »Auffällig waren Desinformationskampagnen in den Wahlkampfmonaten. Auch die kritische Infrastruktur war in Sachsen Ziel von hybriden Angriffen. Wir sind nicht im Krieg, wir leben aber auch nicht mehr in normalen Friedenszeiten.«
LfV-Präsident Dirk-Martin Christian: »Die allgemeine Gefährdungslage hat sich einerseits durch den Ukraine-Krieg sowie das hybride Vorgehen Russlands gegen den Westen weiter verschärft. Russland verfolgt unverändert das Ziel, politische und gesellschaftliche Konfliktlinien auch hierzulande zu forcieren und diese als Ansatzpunkte für eine manipulative Beeinflussung der politischen Willensbildung zu nutzen. Dabei setzt Russland unter anderem auf gezielte Desinformationskampagnen. Andererseits gehören Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik in gleicher Weise zu den bevorzugten Aufklärungszielen chinesischer Nachrichtendienste. Im vergangenen Jahr wurden in Sachsen zwei Personen wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit festgenommen.«
Den vollständigen Verfassungsschutzbericht 2024 finden Sie zum Download im Internet unter www.verfassungsschutz.sachsen.de
Innenministerium Sachsen, 03.06.2025