Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss vom gestrigen Tage einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des von den benachbarten Antragstellern erhobenen Widerspruchs gegen die vom Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis an die Beigeladene erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Seniorenpflegeheims mit 66 Bewohnern und Mitarbeiterwohnungen sowie angeschlossenen Einrichtungen abgelehnt.

Die Beigeladene ist Eigentümerin eines Grundstücks in Helmstadt-Bargen, auf dem sie den Neubau eines Seniorenpflegeheims mit 66 Betten, sechs barrierefreie Wohnungen und vier Mitarbeiterwohnungen mitsamt angeschlossenen Einrichtungen – Cafeteria, Friseur, Fußpflegepraxis – errichten möchte.

Die Antragsteller sind Eigentümer von zu dem Vorhabengrundstück benachbarten Grundstücken, die als Hofstelle ihres landwirtschaftlichen Betriebs in Ortslage genutzt werden.

Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis erteilte der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung, nachdem zuvor ein Bebauungsplan von der Gemeinde Helmstadt-Bargen beschlossen wurde, der ein Sondergebiet gemäß § 11 Baunutzungs-Verordnung mit der Zweckbestimmung „Seniorenpflegeheim“ festsetzt. Dieser Bebauungsplan ist Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens bei dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, über den noch nicht entschieden ist.

Mit ihrem gerichtlichen Eilantrag wenden sich die Antragsteller gegen die vorläufige Vollziehung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung und verweisen auf die aus ihrer Sicht mangelnde Bestimmtheit der Baugenehmigung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Ermittlung von Lärmimmissionen. Sie gehen außerdem von der Unwirksamkeit des maßgeblichen Bebauungsplans aus und erachten das geplante Seniorenpflegeheim auch mit der näheren, nach ihrem Vorbringen durch reine Wohnnutzung geprägten Umgebung als unvereinbar. Das Vorhaben verstoße zudem gegen drittschützende Aspekte des Landesstraßenrechts unter dem Gesichtspunkt des Anliegergebrauchs. Schließlich machen sie in verschiedener Hinsicht Verstöße gegen das Gebot der Rücksichtnahme geltend (Gewerbelärm, Einblickmöglichkeiten, erdrückende Wirkung aufgrund der Ausmaße des Vorhabens).

Dem ist die 2. Kammer nicht gefolgt. Ihre Auffassung begründet sie wie folgt:

Entgegen der Auffassung der Antragsteller sei die erteilte Baugenehmigung hinreichend bestimmt, da ihr insbesondere die Anzahl der Stellplätze ohne Weiteres und widerspruchsfrei zu entnehmen seien. Dass die Baugenehmigung keine Nutzungszeiten der Stellplätze regele, mache sie nicht unbestimmt in Bezug auf die anzunehmenden zu- und abfahrtsbedingten Geräuschimmissionen durch Personenkraftwagen zum Parkplatz der Einrichtung. Bei lebensnaher Betrachtung liege es auf der Hand, dass der nächtliche Zu- und Abfahrtsverkehr zu der genehmigten Altenpflegeeinrichtung gering ausfallen werde. Gleiches gelte für die Nutzung der Cafeteria und des Friseursalons wie auch der Fußpflegeeinrichtungen durch die Bewohnerschaft der Einrichtung zu Zeiten nach 22 Uhr am Abend. Dass es aufgrund des hohen Alters und etwaiger Hörbeschwerden auf dem Parkplatz der Einrichtung regelmäßig zu Geräuschimmissionen durch lautes Anrufen von Bewohnern durch Besucher oder pflegerisches Personal komme, sei völlig konstruiert und spekulativ. Jedenfalls wären diese Geräusche sozialadäquat und letztlich wohntypisch. Schließlich ergebe sich keine Unbestimmtheit der Baugenehmigung aufgrund von drohenden Geräuschimmissionen der geplanten Wärmepumpe. Sie werde sich 50 Meter entfernt vom Wohnhaus der Antragsteller befinden und durch den südlich zwischen dem Standort der Wärmepumpe und dem Grundstück der Antragsteller gelegenen westlichen Flügel des geplanten Gebäudes abgeschirmt.

Die Antragsteller könnten auch keinen Verstoß gegen ihren nachbarschützenden Anspruch auf Gebietserhaltung im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung geltend machen. Dabei spiele es keine Rolle, ob der maßgebliche Bebauungsplan wirksam sei oder nicht. Denn selbst wenn er unwirksam sei, füge sich das geplante Vorhaben in die nähere Umgebung ein. Denn diese werde wesentlich durch mehrere von reiner Wohnnutzung verschiedene Nutzungen wie den landwirtschaftlichen Betrieb der Antragsteller und ein Kirchengebäude geprägt.

Soweit die Antragsteller darüber hinaus geltend machten, ein vormals entlang ihrer Grundstücksgrenze durchgehend vorhandener Fuß- und Radweg werde durch das Vorhaben überplant und stünde ihnen damit nicht mehr als notwendige Zuwegung zu ihrem Grundstück zur Verfügung, verletze sie dies nicht in eigenen Rechten. Das Landesstraßenrecht schütze zugunsten der Anlieger nur den sogenannten „Kern des Anliegergebrauchs“. Einen entsprechenden Verstoß gegen den Kern des Anliegergebrauchs hätten die Antragsteller mit ihrem Vorbringen aber nicht aufgezeigt. Denn ein Herauffahren auf ihre Grundstücke, selbst mit landwirtschaftlichen Maschinen, bliebe nach wie vor möglich, da die Zufahrt zu ihren Grundstücken durch die Überplanung des Fuß- und Radwegs nicht tangiert werde.

Schließlich verletze das geplante Vorhaben die Rechte der Antragsteller auch nicht unter dem Blickwinkel des Gebots der Rücksichtnahme, denn es stelle sich ihnen gegenüber nicht als rücksichtslos dar. Die Auswirkungen des Vorhabens der Beigeladenen auf die Grundstücke der Antragsteller führten weder im Hinblick auf die Verkehrslärmsituation voraussichtlich zu unzumutbaren Belästigungen oder Störungen, noch stelle sich das Vorhaben wegen einer „erdrückenden Wirkung“ als rücksichtslos dar. Zwar werde das Gebäude der Antragsteller durch das geplante Vorhaben nicht unwesentlich überragt; es sei aber von dem Baukörper weg nach Nordwesten versetzt und liege dem Gebäude der Beigeladenen damit nicht als kleineres Gebäude genau gegenübergesetzt.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, hiergegen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einzulegen (2 K 2792/23). (LM)

(c) VG Karlsruhe, 29.12.2023

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