Ein Ausländer, der im Jahr 2000 nach einer Verurteilung wegen Sozialleistungsbetruges aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden war, hat Anspruch auf Befristung des daraus resultierenden Einreise- und Aufenthaltsverbots auf den heutigen Tag. Dieses Verbot kann nicht wegen eines Terrorismusverdachts, der nicht Gegenstand der ursprünglichen Ausweisungsentscheidung war, aufrecht erhalten bleiben, verlängert oder neu erlassen werden. Das hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit heute verkündetem Urteil entschieden und damit der Klage eines ehemaligen Guantanamo-Häftlings stattgegeben.

Der Kläger reiste Ende der 1980er Jahre in das Bundesgebiet ein und erhielt hier bis 1999 Aufenthaltserlaubnisse. Anfang der 1990er Jahre schloss er sich in Afghanistan der Terrororganisation al-Qaida an. 1992 kehrte er nach Deutschland zurück. Im Jahr 2000 wurde er wegen Sozialleistungsbetruges zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und wegen dieser Verurteilung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Von August 2002 bis zu seiner Freilassung im Jahr 2016 war er in Guantanamo inhaftiert. Seinen Antrag auf rückwirkende Befristung des ursprünglich unbefristet geltenden Einreise- und Aufenthaltsverbots lehnte die Stadt Duisburg im April 2022 ab und ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 20 Jahren an. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Ausländer auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland noch enge Verbindungen zu al-Qaida aufrechterhalten und die Vereinigung unterstützt habe.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hatte Erfolg. Die Kammer hat zur Begründung ausgeführt: Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes hat der Kläger einen Anspruch auf nachträgliche Befristung des ursprünglich unbefristet geltenden Einreise- und Aufenthaltsverbots aus dem Jahr 2000 auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Denn die Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG war nach Ablauf der Umsetzungsfrist im Dezember 2010 auf dieses Verbot unmittelbar anwendbar. Die Richtlinie enthält in Art. 11 Vorschriften über die maximale Länge der Befristung solcher Verbote. Die Fristbestimmungen gelten nach einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (C-297/12) auch für sog. Altfälle. Die Richtlinie bestimmt, dass die Dauer eines Einreiseverbots grundsätzlich fünf Jahre nicht überschreiten darf. Anderes gilt dann, wenn der Drittstaatsangehörige „eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt“. Für diese Prognoseentscheidung ist nach Auffassung der Kammer (nur) auf die Gefahr abzustellen, die mit der ursprünglichen Ausweisung bekämpft werden sollte, hier also auf die Abwehr von Betrugsdelikten zum Nachteil der Sozialkassen. Andere oder später eintretende Umstände, die nicht Gegenstand der Ausweisungsverfügung waren -hier der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung -, können im Rahmen der Befristungsentscheidung nicht berücksichtigt werden.

Auf die Frage, ob genügend Anhaltspunkte für die von der Stadt Duisburg angenommene Gefahr der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bestehen, kam es nicht an. Der Kläger hatte geltend gemacht, sich nach 1992 von al-Qaida gelöst zu haben. Die Entscheidung des Gerichts verhält sich hierzu ausdrücklich nicht. Es bleibt der Stadt insbesondere unbenommen, auf die von ihr angenommenen (neuen) Gefahren gegebenenfalls mit einer erneuten Ausweisung zu reagieren.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Berufung zum Oberverwaltungsgericht sowie die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

(c) VG Düsseldorf, 22.11.2023

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