
Europa hält seine Ukraine-Hilfen im Mai und Juni 2025 auf hohem Niveau und beschafft inzwischen mehr Militärhilfe über die Rüstungsindustrie als die USA. Die finanzielle Unterstützung stützt sich stark auf den ERA-Kreditmechanismus, der aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanziert wird.
Im Mai und Juni 2025 hielten die Europäer ihre Ukraine-Hilfen auf konstant hohem Niveau, insbesondere die Militärhilfen. Ein erheblicher Teil der Waffen stammt dabei nicht mehr aus Lagerbeständen, sondern wird direkt über die Rüstungsindustrie beschafft. Damit liegt Europa nun auch beim Gesamtvolumen der seit Kriegsbeginn über die Industrie abgewickelten Militärhilfe vor den USA. Finanzielle Hilfen von den G7 in Höhe von etwa 6,3 Mrd. EUR konnten zuletzt vor allem dank des ERA-Kreditmechanismus zugewiesen werden – so das aktuelle Update des Ukraine Support Trackers, das Hilfsleistungen bis Ende Juni 2025 erfasst.
Erstmals seit Trumps Amtsantritt erlaubten die USA im Mai wieder größere Rüstungsexporte an die Ukraine – allerdings nicht als militärische Hilfsleistungen, sondern als reguläre Verkäufe, die Kiew selbst finanzieren muss. Im Gegensatz dazu setzten die europäischen Länder ihre umfangreiche Ukraine-Unterstützung fort: Deutschland wies ein Militärhilfepaket in Höhe von 5 Mrd. EUR zu – die größte bilaterale Zuweisung im aktuellen Update. Norwegen folgte mit 1,5 Mrd. EUR, Belgien stellte 1,2 Mrd. EUR bereit. Die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Dänemark wiesen jeweils rund 500–600 Mio. EUR zu.
Europa beschafft mehr Militärhilfen über Rüstungsverträge als die USA
Von den 10,5 Mrd. EUR an europäischer Militärhilfe, die im Mai und Juni 2025 zugewiesen wurden, sollen mindestens 4,6 Mrd. EUR in Aufträge an Rüstungsunternehmen fließen, anstatt Lagerbeständen entnommen zu werden. Die Aufträge gehen vor allem an Unternehmen in Europa sowie der Ukraine und sind ein deutliches Signal für die wachsende Bedeutung der Rüstungsindustrie im Bereich der militärischen Unterstützung. Seit Beginn des Krieges bis einschließlich Juni 2025 hat Europa Militärhilfen im Wert von mindestens 35,1 Mrd. EUR über Beschaffungsverträge mit der Rüstungsindustrie bereitgestellt – das sind 4,4 Mrd. EUR mehr als die USA.

„Die Militärhilfe für die Ukraine wird verstärkt von den Kapazitäten der Rüstungsindustrie bestimmt“, sagt Taro Nishikawa, Projektleiter des Ukraine Support Trackers. „Europa hat inzwischen mehr über neue Rüstungsverträge beschafft als die USA – das zeigt eine klare Abkehr von der Abgabe aus Lagerbeständen hin zur industriellen Produktion. Um eine pünktliche und wirkungsvolle Lieferung der zugesagten Hilfsleistungen zu gewährleisten, braucht Europa daher eine starke und belastbare Rüstungsindustrie.“
ERA-Kreditmechanismus als finanzieller Rettungsanker
Die finanzielle Unterstützung für die Ukraine stützt sich inzwischen hauptsächlich auf den ERA-Kreditmechanismus (Extraordinary Revenue Acceleration). Diese von den G7 und der Europäischen Kommission initiierte Maßnahme stellt der Ukraine insgesamt 45 Mrd. EUR an Krediten bereit, finanziert durch Erlöse aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten. In den Monaten Mai und Juni zahlte die EU davon 2 Mrd. EUR aus, Kanada steuerte 1,5 Mrd. EUR bei, und Japan wies rund 2,8 Mrd. EUR zu.
„Der ERA-Kreditmechanismus ist ein zentrales Instrument, um die finanzielle Stabilität der Ukraine angesichts steigender Wiederaufbaukosten und wirtschaftlicher Belastungen durch den anhaltenden Krieg zu gewährleisten“, sagt Nishikawa. „Da die im Oktober 2024 zugesagten Hilfsleistungen nun schrittweise ausgezahlt werden und die verfügbaren Mittel abnehmen, ist jedoch fraglich, ob die Geberländer ihr Unterstützungsniveau langfristig aufrechterhalten können.“
Über den Ukraine Support Tracker
Der Ukraine Support Tracker erfasst und quantifiziert militärische, finanzielle und humanitäre Hilfen, die der Ukraine seit dem 24. Januar 2022 (aktuell bis Ende Juni 2025) zugesagt wurden. Berücksichtigt sind 40 Länder, spezifisch die EU-Staaten, die weiteren Mitglieder der G7, Australien, Südkorea, Norwegen, Neuseeland, die Schweiz, die Türkei, China, Taiwan und Indien. Erfasst sind Zusagen, die Regierungen dieser Länder der ukrainischen Regierung gemacht haben; Hilfszusagen der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind separat aufgeführt; private Spenden oder solche internationaler Organisationen wie des IWF sind in der Hauptdatenbank nicht enthalten. Ebenso nicht mitgezählt sind Hilfen an Nachbarländer der Ukraine wie Moldawien oder andere Länder – etwa für die Aufnahme von Geflüchteten.
Datenquellen sind Bekanntgaben offizieller Regierungsstellen und Berichte internationaler Medien. In Sachmitteln geleistete Hilfe wie zum Beispiel Medizingüter, Lebensmittel oder militärisches Gerät werden anhand von Marktpreisen oder Angaben aus früheren Hilfskampagnen geschätzt. In Zweifelsfällen werden die höheren verfügbaren Werte angesetzt.
IfW, 12.08.2025