
Justizministerin Prof. Constanze Geiert (Vorsitzende der Konferenz der Justizministerinnen und der Justizminister): „Die Länder haben auf der Justizministerkonferenz sehr deutlich gemacht: Der neue Pakt für den Rechtsstaat muss jetzt kommen – und zwar zügig und durch eine substanzielle Beteiligung des Bundes. Unsere gemeinsame Verantwortung für den Rechtsstaat, verlangt jetzt auch ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern.“
Bad Schandau (6. Juni 2025) – Unter dem Vorsitz der sächsischen Justizministerin Prof. Constanze Geierthaben die Länderjustizminister aktuelle Themen und Herausforderungen für die Justiz sowie den Rechtsstaat auf der Frühjahrstagung der 96. Konferenz der Justizministerinnen und der Justizminister (JuMiKo) diskutiert. Die Konferenz konnte sich darüber hinaus erfolgreich u. a. auf folgende Beschlüsse einigen:
Beschluss zur Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat
Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben sich für eine Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat ausgesprochen. Der Beschluss der JuMiKo sieht vor, die Justiz gemeinsam mit dem Bund zukunftsfest aufzustellen – durch verbesserte Digitalisierung, beschleunigte Verfahren und eine nachhaltige personelle Stärkung. Der Beschluss sieht unter anderem vor, dass eine langfristige Mitfinanzierung von mindestens 2.000 zusätzlichen Stellen für Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie für den so wichtigen nicht-richterlichen und nichtstaatsanwaltschaftlichen Dienst. Auch die Digitalisierung der Justiz soll nach dem Willen der Länder fortgeführt und verstärkt werden: Die Länder halten eine jährliche Bundesbeteiligung von mindestens 200 Millionen Euro über die laufende Digitalisierungsinitiative hinaus für erforderlich.
Die Vorsitzende der 96. Justizministerkonferenz und sächsische Justizministerin Prof. Constanze Geiert, Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Koordinatorin der A-Länder) und Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (Koordinator der Unionsseite): „Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen fordern wir den Bund auf, mit einem neuen Pakt für den Rechtsstaat jetzt zügig die Weichen für eine nachhaltige Stärkung des Rechtsstaats zu stellen. Dazu gehört eine angemessene Finanzierung und insbesondere der weitere Ausbau der Digitalisierungsoffensive für die Justiz. Auch der Bund trägt Verantwortung für unseren gemeinsamen Rechtsstaat in Deutschland.“
Justizministerinnen und der Justizminister setzen sich für verbesserten Schutz der Schöffenwahlen ein
Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich für eine Regelung aus, nach der die amtierenden Schöffinnen und Schöffen auch nach dem regulären Ende der Amtsperiode noch so lange im Amt bleiben, bis die Neuwahl der Schöffinnen und Schöffen für die neue Amtsperiode abgeschlossen ist. Sie bitten die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, hierfür zeitnah einen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Diesächsische Justizministerin Prof. Constanze Geiert betont: „Ich freue mich, dass der sächsische Vorschlag zum Schutz der Schöffenwahl auf der Justizministerkonferenz beschlossen wurde. Das Ehrenamt in der Justiz ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaats und sichert die gesellschaftliche Verankerung der Strafjustiz ab. Der Beschluss soll verhindern, dass Blockaden bei den Schöffenwahlen einen Stillstand der Rechtspflege verursachen können.“
Stärkere Vereinheitlichung der Digitalisierung und Beschleunigung gerichtlicher Asylverfahren
Vor dem Hintergrund des Abschlusses der flächendeckenden Einführung der elektronischen Verfahrensakte haben die Länder die Notwendigkeit einer stärkeren technischen Vereinheitlichung der E-Akten diskutiert. Ziel bleibt es, die Justizanwendungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften möglichst weitgehend zu harmonisieren. Um Doppelstrukturen zu vermeiden und Schnittstellenaufwände zu reduzieren, soll geprüft werden, wie eine perspektivische Vereinheitlichung der eingesetzten Systeme gelingen kann. Der E-Justice-Rat wurde gebeten, hierzu konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Aus Sicht der sächsischen Justizministerin Prof. Constanze Geiertein wichtiger erster Schritt, denn: „Ziel muss es sein, ein einheitliches digitales Ökosystem für die Justiz zu schaffen. Damit können wir Kräfte und Kosten für die Schaffung, den Betrieb und die Wartung der immer wichtiger werdenden digitalen Systeme der Justiz bündeln. Ein Effizienzgewinn auch für den Zugang zum Recht der Bürgerinnen und Bürger.“
Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder betonen zudem, dass digitale Werkzeuge – etwa zur Textanalyse oder Datenstrukturierung – zunehmend zur Effizienzsteigerung in Asylverfahren beitragen können. Mit Blick auf die geplante Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems fordert die JuMiKo die Bundesregierung auf, bei einem neuen Gesetzentwurf die Interessen der Länder angemessen zu berücksichtigen. „Die Entlastung der Verwaltungsgerichte und die Beschleunigung der gerichtlichen Asylverfahren bleibt trotz konkreter Erfolge in den Ländern weiterhin ein drängendes Thema. Mir ist wichtig, dass der Bund insbesondere mit Blick auf die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die Interessen besser berücksichtigt“, so die sächsische Justizministerin Prof. Constanze Geiert.
Neuanfang für Opfer von häuslicher Gewalt erleichtern
Die Justizministerinnen und die Justizminister befassten sich auf Initiative von Hamburg und Sachsen-Anhalt mit der Situation von Opfern häuslicher Gewalt, die aus der gemeinsam angemieteten Wohnung geflüchtet sind. Sie stellen fest, dass die Opfer Schwierigkeiten haben können, sich aus dem Mietvertrag zu lösen, und dadurch einem Neuanfang Hindernisse entgegenstehen. Den Opfern steht zwar in der Regel ein Anspruch gegen den Mitmieter auf Zustimmung zur Kündigung des Mietvertrags zu. Dieser Anspruch muss jedoch im Streitfall in einem Zivilprozess oder – im Falle verheirateter Mieter – vor den Familiengerichten geltend gemacht werden. Bis zur Kündigung und Räumung der Wohnung haften die Opfer häuslicher Gewalt für weitere Forderungen aus dem Mietverhältnis gesamtschuldnerisch mit. Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina: „Mit dem Beschluss wollen wir erreichen, dass Opfer häuslicher Gewalt schnell und unkompliziert aus dem Mietvertrag einer gemeinsamen Wohnung mit dem Täter ausscheiden können. Durch die aktuelle Rechtslage kann den Opfern häuslicher Gewalt im Streitfall ein langwieriger belastender Rechtsstreit aufgezwungen werden. Deshalb müssen wir die Durchsetzung des Zustimmungsanspruchs gegen den Mitmieter vereinfachen und beschleunigen.“ Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz wird gebeten, zeitnah Möglichkeiten gesetzlicher Regelungen zu prüfen. Die Rechte der Vermieterinnen und der Vermieter bleiben hierbei unberührt.
Bildbasierte sexualisierte Gewalt – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes
Die Justizministerkonferenz beschäftigte sich auf Initiative von Niedersachsen, Hamburg und dem Saarland erneut intensiv mit verschiedenen Formen bildbasierter sexualisierter Gewalt. Hierzu zählen beispielsweise „Deepfakes“ – durch KI manipulierte Bilder und Videos – oder das sog. „Doxing“, bei dem die Täter kompromittierende Bildaufnahmen mit persönlichen Daten, etwa Klarnamen, Adressen oder den Telefonnummern der Betroffenen veröffentlichen. Für die Opfer – meist junge Mädchen und Frauen – haben solche zutiefst verachtenswerten Taten und die damit verbundene persönliche Erniedrigung oft fatale Konsequenzen: von Ängsten und sozialer Isolation bis – im Extremfall – zum Suizid. Die Justizministerinnen und Justizminister waren sich darüber einig, dass der Staat solchen Taten auch mit den Mitteln des Strafrechts zukünftig noch entschlossener entgegentreten muss. Sie forderten den Bund daher dazu auf, in diesem Bereich weiterhin bestehende Strafbarkeitslücken schnellstmöglich zu schließen und mögliche Strafschärfungen auf den Prüfstand zu stellen.
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich, zugleich Sprecher der unionsgeführten Länder (B-Seite): „Wenn es um die Zukunft unseres Rechtsstaats geht, stehen alle 16 Bundesländer zusammen. Das zeigt sich auch in unserem gemeinsamen Appell an die neue Bundesjustizministerin. Den Rechtsstaat zu bewahren und seine Resilienz zu stärken, bleibt eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Neben der personellen Stärkung muss die Digitalisierung tragende Säule des neuen Pakts für den Rechtsstaat sein. Die Menschen erwarten zu Recht eine moderne, schnelle und bürgernahe Justiz. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung nutzen und Tempo machen. Neben weiteren Investitionen in die Infrastruktur brauchen wir die Reform der Prozessordnungen und unterstützende KI-Lösungen, um die Verschlankung und Beschleunigung von Verfahrensabläufen zu erreichen. Die Reformkommission hat hierzu bereits Empfehlungen für den Zivilprozess der Zukunft vorgelegt. Für das Strafprozessrecht wird eine Reformkommission ebenfalls Vorschläge erarbeiten.“
Gemeinsam mit Hessen setzte sich Bayern erfolgreich für eine Modernisierung der Strafprozessordnung ein. Dazu gehört z. B. ein rechtlicher Rahmen für den Betrieb einer Beweismittelcloud von Polizei und Justiz. Der bayerische Justizminister: „Wir stoßen teilweise an Grenzen, weil die Prozessordnungen nicht Schritt halten. Deshalb setze ich große Hoffnungen in die Modernisierung des Strafprozesses und des Zivilprozesses, die von Bayern lange gefordert wurde und jetzt auch im Koalitionsvertrag verankert ist. Es liegen schon heute ausgereifte technische Lösungen vor, mit denen sich digitale Beweismittel im Strafprozess viel effektiver einsetzen lassen. Dazu zählen beispielsweise die bereits in Zivilverfahren bewährte Videovernehmung oder virtuelle Tatort-Begehungen. Deshalb sehe ich gesetzgeberischen Optimierungsbedarf beim Erfassen, Verarbeiten und der Einführung digitaler Beweismittel. Die Strafprozessordnung muss auf die Höhe des digitalen Zeitalters gebracht werden.“
Die Beschlüsse der Konferenz sind online abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse
StMJ, 06.06.2025