
Das Bundesjustizministerium will die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Zivilsachen deutlich ausweiten: Künftig sollen diese bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro sowie generell bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten zuständig sein. Gleichzeitig sollen komplexe Rechtsgebiete wie Arzthaftungsrecht, Presserecht und Vergaberecht künftig ausschließlich den Landgerichten zugewiesen werden, um die Spezialisierung der Justiz zu stärken. Ziel des Gesetzentwurfs ist eine bürgernähere, effizientere und leistungsfähigere Justizstruktur.
Amtsgerichte sollen mehr Zuständigkeiten erhalten. Bislang sind die Gerichte für zivilrechtliche Verfahren bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro zuständig. Künftig sollen die Amtsgerichte über Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro verhandeln können. Außerdem sollen Streitigkeiten im Bereich des Nachbarrechts generell in ihre Zuständigkeit fallen, also unabhängig davon, wie hoch der Streitwert des Verfahrens ist. Andere Rechtsstreitigkeiten – beispielweise im Arzthaftungsrecht, Presserecht oder Vergaberecht – sollen dafür generell den Landgerichten zugewiesen werden, um so eine weitere Spezialisierung der Justiz zu befördern. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) heute veröffentlicht hat.
Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Dr. Stefanie Hubig erklärt dazu:
„Justiz muss bürgernah sein – und gerade die Amtsgerichte stehen dafür in besonderer Weise. An über 600 Standorten ermöglichen sie einen einfachen Zugang zum Recht – in Wohnortnähe und in der Regel ohne Anwaltszwang. Mit unserem Gesetzentwurf stärken wir die Amtsgerichte und erweitern ihre Zuständigkeiten. Das ist ein überfälliger Schritt. Denn durch die Preisentwicklung der letzten Jahrzehnte sind die geltenden Zuständigkeitsgrenzen veraltet: Das hat zur Folge, dass die Amtsgerichte heute weniger Fälle entscheiden dürfen als früher. Das korrigieren wir. Gleichzeitig fördern wir die Spezialisierung der Justiz, indem wir den Landgerichten gezielt neue Zuständigkeiten für komplexe Verfahren geben. So machen wir unsere Justiz bürgernäher und leistungsfähiger.“
In Verfahren wegen bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreitigkeiten sind je nach Fallgestaltung die Amtsgerichte oder die Landgerichte als Eingangsinstanz zuständig. Um eine gut in der Fläche verteilte amtsgerichtliche Struktur aufrecht zu erhalten und die Verfahren insgesamt effektiver abzuwickeln, sieht der Gesetzentwurf eine Anpassung an den Zuständigkeitsregelungen vor.
Es sind insbesondere folgende Änderungen vorgesehen:
Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte
Der Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte wird von bisher 5.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben. Die letzte Anhebung der Streitwertgrenze liegt über 30 Jahre zurück. Die Anhebung soll unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen Geldwertentwicklung erfolgen. Durch diese Anhebung wird sich die Anzahl der erstinstanzlich vor dem Amtsgericht zu verhandelnden zivilrechtlichen Verfahren wieder erhöhen.
Spezialisierungen bei den Amts- und Landgerichten
Zur Förderung der Spezialisierung der Justiz sollen weitere streitwertunabhängige Zuständigkeiten der Amts- und Landgerichtegeschaffen werden. Zivilrechtliche Streitigkeiten werden in einigen Rechtsgebieten zunehmend komplexer, bei anderen Rechtsgebieten spielt hingegen die Ortsnähe eine besondere Rolle. Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene, streitwertunabhängige Zuweisung von bestimmten Sachgebieten an das Amts- oder Landgericht wird diesem Umstand Rechnung getragen, sodass Verfahren effizient im Sinne der Bürgerinnen und Bürger bearbeitet werden können.
Streitigkeiten aus dem Bereich des Nachbarrechts sollen den Amtsgerichten streitwertunabhängig zugewiesen werden. Bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten spielt die Ortsnähe oft eine besondere Rolle.
Streitigkeiten aus dem Bereich der Veröffentlichungsstreitigkeiten, der Vergabesachen sowie der Heilbehandlungen sollen den Landgerichten streitwertunabhängig zugewiesen werden, um so eine weitergehende Spezialisierung zu erreichen. Von der neuen Spezialzuständigkeit Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen etwa Ansprüche aus dem Presserecht erfasst werden sowie Ansprüche wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn diese in der Presse oder öffentlich im Internet erfolgt ist. Im Vergaberecht sollen der neuen Zuständigkeitsregelung beispielsweise Fälle von Schadensersatzansprüchen unterfallen, weil öffentliche Aufträge fehlerhaft vergeben wurden. Im Heilbehandlungsrecht handelt es sich zum Beispiel um Verfahren, in denen Ansprüche wegen einer fehlerhaften Behandlung durch einen Arzt oder eine Psychotherapeutin geltend gemacht werden.
Der Entwurf wurde heute an Länder und Verbände verschickt und auf der Internetseite des BMJV veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 11. Juli 2025 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden ebenfalls auf der Internetseite veröffentlicht. Ein Gesetzentwurf mit ähnlicher Zielsetzung wurde bereits in der vergangenen Legislaturperiode veröffentlicht. Das Gesetzgebungsverfahren konnte seinerzeit nicht abgeschlossen werden.
Den Entwurf des Gesetzes finden Sie hier.
BMJV, 24.06.2025