
Die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts hatte über drei Anträge des Hauptpersonalrats beim Niedersächsischen Justizministerium vom 5. Juni 2025 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Einführung der rechtsverbindlichen elektronischen Akte in verschiedenen Justizbehörden im Juni 2025 zu entscheiden. Hintergrund ist die durch Bundesgesetz vorgeschriebene Einführung der elektronischen Akte in den Verfahrensordnungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Fachgerichtsbarkeiten bis zum 1. Januar 2026. Die Umsetzung erfolgt in Niedersachsen in mehreren Phasen und wurde in einzelnen Gerichten und Staatsanwaltschaften pilotiert. Beteiligte des personalvertretungsvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens ist die Niedersächsische Justizministerin, die die Umsetzungsphase mit konkretisierenden Rechtsverordnungen flankiert.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2025 beantragte die Justizministerin die Zustimmung des Hauptpersonalrats zur Einführung der elektronischen Akte ab Anfang Juni 2025 bei den Staats- und Generalstaatsanwaltschaften, den (verbleibenden) amtsgerichtlichen Betreuungs-, Nachlass-, Vollstreckungs-, ZVG- und Basic-Sachen sowie bei Straf- und Bußgeldsachen in allen (verbleibenden) Amts-, Land- und Oberlandesgerichten. Dieser verweigerte die Zustimmung, insbesondere unter Verweis auf Performance Probleme und Mängel der eingesetzten Software und organisatorische Anpassungsschwierigkeiten. Die Justizministerin leitete daraufhin am 28. Mai 2025 ein sogenanntes Nichteinigungsverfahren (§ 70 Abs. 4 Satz 1 NPersVG) ein und ordnete gleichzeitig an, dass für die Dauer des laufenden Einigungsverfahrens die Einführung der elektronischen Akte an den im Juni 2025 hiervon betroffenen Staatsanwaltschaften und Gerichten im Wege einer unaufschiebbaren Maßnahme fortgesetzt werde. Dies sei zwingend erforderlich, um das gesetzlich vorgesehene Ziel einer Digitalisierung der Aktenführung bis zum 1. Januar 2026 zu erreichen. Zudem seien die Personal- und Urlaubsplanung auf die jeweiligen Einführungsdaten ausgerichtet und umfangreiche organisatorische Maßnahmen getroffen worden. Zeitgleich wurde auch die Niedersächsische Verordnung zur elektronischen Aktenführung bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften (Nds. eAktGerStAVO) dahingehend ergänzt, dass die Rechtsverbindlichkeit der elektronischen Akte für Staats- und Generalstaatsanwaltschaften sowie die betroffenen Amts- und Landgerichte im Laufe des Monats Juni 2025 vorgeschrieben wurde.
Das Gericht hat die Anträge des Hauptpersonalrats gegen die Einführung der elektronischen Akte in den Staats- und Generalstaatsanwaltschaften (17 B 5896/25), in den Betreuungs-, Nachlass-, Vollstreckungs-, ZVG- und Basic-Sachen an den betroffenen Amtsgerichten (17 B 5888/25) sowie in den gerichtlichen Straf- und Bußgeldsachen an den betroffenen Amts- und Landgerichten (17 B 5893/25) mit Beschlüssen vom 10. Juni 2025 abgelehnt.
Zur Begründung führt die Kammer aus: Bereits die Voraussetzungen eines Vollzugsverbots gem. § 63 Satz 1 NPersVG sind nicht gegeben, weil die Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung nach § 74 Satz 1 NPersVG vorliegen. Die erforderliche Unaufschiebbarkeit der Maßnahme ist vorliegend schon deshalb gegeben, weil das Niedersächsische Justizministerium zeitgleich mit der vorläufigen Regelung die Rechtsverbindlichkeit der elektronischen Akte bei den betroffenen Justizbehörden für im Einzelnen spezifizierte Zeitpunkte im Juni 2025 durch eine der nach § 64 Abs. 4 Nr. 1 NPersVG der Mitbestimmung entzogene Rechtsvorschrift angeordnet hat. Das Niedersächsische Justizministerium hat damit den Zeitpunkt für die Einführung der elektronischen Akte in Ausübung seiner Rechtssetzungsbefugnis vorverlegt und damit rechtliche Zwangspunkte gesetzt, die eine vorläufige Regelung rechtfertigen. Die durch Verordnung festgelegten Termine entfalten rechtlich keine geringere Bindungswirkung als der bundesrechtlich durch Gesetz vorgegebene Zeitpunkt.
Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.
Az. 17 B 5896/25; 17 B 5888/25; 17 B 5893/25
Beim Verwaltungsgericht sind die zugehörigen Hauptsacheverfahren unter den Aktenzeichen (17 A 5915/25, 17 A 5885/25 und 17 A 5891/25) anhängig.
VG Hannover, 11.06.2025