
Leipzig, 10. Dezember 2025 (JPD) – Der verfolgungsbedingte Verlust von Aktien an einer Berliner Bank in der NS-Zeit kann Wiedergutmachungsansprüche nach dem Vermögensgesetz auslösen, wenn der Gesellschaftssitz erst nach Ablauf der rückerstattungsrechtlichen Anmeldefristen in den Westen verlegt wurde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Damit stärkt das Gericht die vermögensrechtliche Wiedergutmachung für NS-Verfolgte bei Unternehmensverlagerungen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Wiedergutmachung trotz später Sitzverlegung
Die Klägerin verlangt Entschädigung für Beteiligungen an einer Bank, die zwischen 1933 und 1937 zwangsweise entzogen worden sein sollen. Das Institut hatte seinen Sitz im späteren Beitrittsgebiet in Berlin-Mitte. Nach Kriegsende ordnete die sowjetische Besatzungsmacht die Beschlagnahme des Vermögens an. Ein Prokurist wurde in Berlin (West) nur als Notvertreter eingesetzt, ohne Verfügungsbefugnis über das Vermögen im sowjetischen Sektor. Eine satzungsgemäße Sitzverlegung vor Ablauf der Fristen des alliierten Rückerstattungsrechts erfolgte nicht.
Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen lehnte die Ansprüche zunächst ab. Das Verwaltungsgericht Berlin folgte dieser Sicht und ging davon aus, der Notvertreter habe bereits einen relevanten Sitz im Westen begründet. Die darauf gestützte Rechtsauffassung, wonach das Vermögensgesetz und das NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz nicht anwendbar seien, bestätigte es im Urteil.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte nun klar, dass § 1 Abs. 6 VermG entsprechend anzuwenden ist, wenn enteignete Vermögenswerte zwar vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes, aber erst nach Ablauf der Anmeldefristen in den Westen gelangten. Entscheidend sei der tatsächliche Sitz der Gesellschaft im Zeitpunkt der Entziehung. Dieser habe sich in Berlin (Ost) befunden. Die Bestellung eines Notvertreters stelle keinen konstitutiven Sitzverlegungsakt dar; erforderlich sei ein Beschluss der zuständigen Organe. Bis zum maßgeblichen Stichtag 30. Juni 1950 seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen.
Da zu weiteren Anspruchsvoraussetzungen noch Feststellungen fehlen, verwies das Gericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurück. Das Urteil erging unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 6.24.