Karlsruhe, 3. Dezember 2025 (JPD) – Das Bundesverfassungsgericht hat einer Verfassungsbeschwerde des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zur sogenannten Verdachtsberichterstattung im Zusammenhang mit dem „Wirecard-Skandal“ stattgegeben. Die First Chamber des Ersten Senats rügte, das Oberlandesgericht habe bei seiner Entscheidung die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz nicht beachtet. Das Magazin war zuvor zivilrechtlich zur Unterlassung einer identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung über einen ehemaligen Wirecard-Manager verurteilt worden.

Karlsruhe korrigiert Anforderungen an Verdachtsberichterstattung

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat das Oberlandesgericht die presse­rechtlichen Sorgfaltsanforderungen überdehnt und den Kontext der beanstandeten Berichterstattung unzutreffend gewürdigt. Die Fachrichter hätten die Zulässigkeit der Wortberichterstattung an eine zu hohe Verdachtsstufe geknüpft und den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestbestand an Beweistatsachen fehlerhaft bestimmt. Eine Verdachtsberichterstattung dürfe nicht von der Wahrscheinlichkeit einer späteren strafrechtlichen Verurteilung abhängig gemacht werden.

Zudem habe das Gericht das öffentliche Informationsinteresse an möglichen wirtschaftskriminellen Vorgängen im Kontext des Wirecard-Komplexes unzureichend berücksichtigt. Der Kläger habe eine herausgehobene Position innerhalb eines Unternehmens innegehabt, das in wirtschaftliche Transaktionen mit dem Wirecard-Konzern eingebunden war. Auch die Bewertung einzelner Textpassagen als Tatsachenbehauptungen habe das Oberlandesgericht verfassungswidrig vorgenommen, obwohl es sich um Werturteile handelte.

Der Begründungsmangel setzte sich nach Auffassung der Verfassungsrichter bei der Bewertung der Bildberichterstattung fort. Da bereits die Annahme einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung nicht tragfähig begründet worden sei, könne auch die damit verknüpfte identifizierende Bildnutzung nicht ohne erneute Prüfung untersagt werden. Die Sache wurde deshalb zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

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