
Das Arbeitsgericht Berlin hat heute die Klage der Deutschen Welle gegen ihren ehemaligen Programmdirektor Multimedia Global auf Rückzahlung von vor Beginn der Altersrente bezogenen Ruhegeldern abgewiesen und seiner Widerklage auf weitere Zahlungen stattgegeben. Der Anspruch auf Zahlung der Ruhegelder folge aus dem Dienstvertrag, eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung bestehe nicht. Ein Anspruch der Deutschen Welle auf Rückzahlung bereits gezahlter Ruhegelder sei verwirkt.
Der für die weltweit ausgestrahlten Fernsehsendungen zuständige Programmdirektor Multimedia Global war seit 1992 zunächst bei dem Sender RIAS und nachfolgend bei der Deutschen Welle beschäftigt, zunächst als Chefredakteur Fernsehen und seit dem Jahr 2002 als Direktor dieses Bereichs. Der zuletzt abgeschlossene, auf fünf Jahre befristete Dienstvertrag aus dem Jahr 2011 sah die Zahlung eines nachvertraglichen Ruhegeldes vor, sofern die Deutsche Welle keine Vertragsverlängerung anbot oder von einer ausdrücklich vereinbarten Kündigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen Gebrauch machte. In diesen Fällen sollte das Festgehalt des Programmdirektors als Ruhegeld für drei Monate zu 100 %, für die Dauer von weiteren vier Jahren und neun Monaten zu 75 % gezahlt werden.
Nachfolgend sollten Versorgungsleistungen nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrags der Deutschen Welle erfolgen. Anderweitig erzielter Verdienst sollte angerechnet werden, sofern dieser zusammen mit dem Ruhegeld das Festgehalt überschritt. Ein Ruhegeldanspruch bestand nicht im Falle der Nichtannahme eines Angebots zur Vertragsverlängerung durch den Programmdirektor sowie im Falle seiner Eigenkündigung.
Die Deutsche Welle kündigte den Dienstvertrag aus betrieblichen Gründen anlässlich der Zusammenlegung zweier Programmdirektionen zum 30.04.2014 und zahlte ab Mai 2014 das vereinbarte Ruhegeld an den Programmdirektor. Im März 2019 teilte die Deutsche Welle dem Programmdirektor mit, ab Mai 2019 werde das Ruhegeld in Höhe von 60 % des Festgehalts an ihn geleistet, und zahlte nachfolgend entsprechend bis Dezember 2024. Mit ihrer am Jahresende 2024 erhobenen Klage verlangt die Deutsche Welle die Rückzahlung zunächst der im Jahr 2021 an den Programmdirektor geleisteten Ruhegelder in Höhe von etwa 130.000 EUR. Sie geht davon aus, dass sich bereits aus dem Dienstvertrag kein Anspruch auf Zahlung von Ruhegeldern über einen Zeitraum von fünf Jahren nach Vertragsende hinaus bis zum Beginn der Regelaltersrente ergebe. Sofern die Vereinbarung anders zu verstehen sei, sei sie unter mehreren Aspekten sittenwidrig und damit nichtig.
Schließlich liege ein Verstoß gegen das Deutsche-Welle-Gesetz vor, das einen faktischen Zwang zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses untersage. Der Programmdirektor leitet den Anspruch auf die bezogenen Ruhegelder aus dem Dienstvertrag und dessen bis zur Klageerhebung übereinstimmende Auslegung ab. Etwaige Rückzahlungsansprüche seien verwirkt. Ein Fall der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung liege nicht vor, sondern ein in zulässiger Weise vereinbarter angemessener Ausgleich der Risiken, die er mit dem befristeten und ordentlich kündbaren Vertrag eingegangenen sei. Mit seiner Widerklage begehrt der Programmdirektor die Zahlung weiterer Ruhegelder ab Januar 2025 sowie die Feststellung, dass für die Vergangenheit keine Rückzahlungsansprüche der Deutschen Welle gegen ihn bestehen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage der Deutschen Welle abgewiesen und diese zur Zahlung weiterer Ruhegelder verurteilt. Etwaige Rückforderungsansprüche der Deutschen Welle gegen den Programmdirektor seien verwirkt, da die Deutsche Welle über mehr als zehn Jahre Versorgungsleistungen erbracht und dem Kläger im März 2019 die weitere Zahlung für den Zeitraum ab Mai 2019 zugesagt habe. Die Auslegung der Regelungen zu Ruhegeld und Versorgungsleistungen im Dienstvertrag ergebe, dass über die ersten fünf Jahre nach Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus Versorgungsleistungen in der Form von Ruhegeld in der geleisteten Höhe zu beanspruchen seien. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelungen und werde durch die seit Mai 2019 praktizierten Zahlungen als gemeinsames Verständnis der Vertragsparteien bestätigt. Die Regelung zu Versorgungszahlungen vor Beginn der Regelaltersrente (ab Februar 2026) sei nicht sittenwidrig. Die Deutsche Welle habe bei der Darstellung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung den Wert der Gesamtleistung des Programmdirektors, der über den finanziellen Wert des Entgelts für seine Arbeitsleistung hinausgehe, nicht zutreffend ermittelt. Die Vereinbarung sei nicht gemeinwohlschädigend im Hinblick auf die Pflicht zur Wahrung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach dem Deutsche-Welle-Gesetz, sondern es liege eine zulässige Vereinbarung im Rahmen der Privatautonomie vor. Auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände ergebe sich keine Beurteilung der Vereinbarung als sittenwidrig.
Schließlich folge eine Nichtigkeit der Regelungen zu Versorgungsleistungen nicht aus einem Verstoß gegen das Deutsche-Welle-Gesetz.
Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts kann die Deutsche Welle Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 2. Juni 2025 – 21 Ca 16313/24
Arbeitsgericht Berlin, 02.06.2025