Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer heute veröffentlichten Analyse feststellt, ist die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Juni leicht gesunken. Im zweiten Quartal 2025 wurden dennoch die Rekordwerte des vorangegangenen Quartals übertroffen und die höchsten Insol­venzzahlen seit 2005 gemessen.

    Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im Juni bei 1 420. Das sind 4% weni­ger als im Vormonat, aber 23% mehr als im Juni 2024 und 50% mehr als in einem durchschnittlichen Juni der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie.

    Schließungen großer Arbeitgeber führen häufig zu erheblichen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten. Die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung an die Gesamt­zahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Laut IWH-Insolvenztrend waren im Juni in den größten 10% der insolventen Unternehmen etwa 16 000 Arbeitsplätze betroffen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten auf dem Niveau der Vormonate, jedoch 68% über dem Niveau von Juni 2024 und etwa 43% über dem Juni-Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019 (vgl. Abbildung 2).

    Im zweiten Quartal 2025 waren 4 524 Personen- und Kapitalgesellschaften von einer Insolvenz betroffen. Damit wurde der Rekordwert des ersten Quartals 2025 um 7% übertroffen. Es war die höchste Anzahl insolventer Personen- und Kapital­gesellschaften seit dem dritten Quartal 2005 – sogar höher als im Nachgang der gro­ßen Wirtschafts- und Finanzkrise 2009. Die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze in den größten 10% der insolventen Unternehmen ging im Vergleich zum Vorquartal zwar leicht auf etwa 45 000 zurück, blieb damit jedoch auf dem hohen Niveau der vorangegangenen Quartale.

    Eine branchenspezifische Aufschlüsselung für insolvente Personen- und Kapital­gesellschaften liegt beim Statistischen Bundesamt nicht vor. Das IWH erhebt diese Daten seit Januar 2020. Im zweiten Quartal 2025 wurde in wichtigen Branchen ein absoluter Höchststand verzeichnet – darunter Industrie, Handel sowie das Hotel- und Gastgewerbe. Mit Abstand am meisten Jobs waren in der Industrie betroffen. Auch in den meisten Bundesländern wurde ein Höchststand bei der Zahl der Insol­venzen erreicht.

    Verglichen mit dem ersten Quartal 2020 – also noch bevor die Pandemie das Insolvenzgeschehen hätte prägen können – stieg die Zahl der Insolvenzen im zwei­ten Quartal 2025 um 62%. Unter den großen Bundesländern gab es die stärksten Zuwächse in den wirtschaftlich starken Ländern Bayern (+80%), Hessen (+79%) und Baden-Württemberg (+76%).

    Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, führt die aktuell hohen Insolvenz­zahlen nur teilweise auf aktuelle gesamtwirtschaftliche Probleme zurück. „Über viele Jahre hinweg haben extrem niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert, und wäh­rend der Pandemie sind durch staatliche Stützungsmaßnahmen auch Unternehmen am Markt geblieben, die bereits zuvor schwach aufgestellt waren“, erklärt Müller. Der Zinsanstieg und der Wegfall dieser Hilfen hätten ab Mitte 2022 zu einem Nach­holeffekt bei den Insolvenzen geführt. In den steigenden Insolvenzzahlen erkennt Müller schmerzhafte, aber notwendige Marktbereinigungen sowie Strukturanpas­sungen, die Raum für zukunftsfähige Unternehmen schaffen können.

    IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

    Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3).

    Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenz­geschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle, gehört das Institut bundes­weit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

    Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesell­schaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz be­troffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verläss­lich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

    Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem wer­den auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbst­ständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haf­tende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

    Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich un­bedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesell­schaften unterscheiden.

    IWH, 08.07.2025

    Cookie Consent mit Real Cookie Banner