Nach einem schwungvollen Start ins Jahr 2025 wird die deutsche Wirtschaft – nach einer kleinen Wachstumsdelle – dank des Investitionspaket ab Ende des Jahres wohl Fahrt aufnehmen. Auftrieb verliehen ihr im ersten Quartal vor allem ein anziehender privater Konsum und starke Exporte. Letztere waren den Vorzieheffekten als Reaktion auf die anstehenden US-Zölle geschuldet. Auch im zweiten Quartal dürfte beides die deutsche Wirtschaft noch beleben, wenn auch die Vorzieheffekte langsam ausklingen und die zunehmenden Handelshemmnisse zum Tragen kommen. Im zweiten Halbjahr kühlt die deutsche Konjunktur wohl zunächst etwas ab. Die Unsicherheiten durch die US-Handelspolitik, weiterhin bestehende strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft und Angst vor Arbeitsplatzverlust dürften dann wieder durchschlagen. Zwar wird die Außenwirtschaft voraussichtlich im weiteren Prognoseverlauf weiter dämpfend wirken, doch die in diesem Jahr beschlossenen umfangreichen finanzpolitischen Maßnahmen entfalten langsam Wirkung und die deutsche Wirtschaft wird wohl zum Jahreswechsel und im kommenden Jahr dadurch deutlich an Fahrt gewinnen.

Alles in allem dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr um 0,3 Prozent und im kommenden Jahr merklich um 1,7 Prozent zulegen. Damit revidiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) seine Konjunkturprognose für Deutschland um 0,2 beziehungsweise 0,6 Prozentpunkte deutlich nach oben.

„Der überraschend schwungvolle Jahresauftakt dürfte uns vor einem weiteren Jahr der Stagnation bewahren. Das ändert aber nichts an den strukturellen Problemen der deutschen Wirtschaft, wie der abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit und dem Fachkräftemangel“, sagt DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. „Ein starker Lichtblick ist das Investitionspaket für die Infrastruktur, das im kommenden Jahr spürbar wirken dürfte.“

Finanzpolitik stemmt sich gegen Zollchaos

Das Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro über zwölf Jahre und die Aussetzung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben dürften die wirtschaftspolitische Verunsicherung zumindest zeitweise reduzieren. Dies wird sich positiv auf den Konsum und die Investitionstätigkeit auswirken. Zwar wird wohl wegen der späten Haushaltsverabschiedung und der langen Planungszeiträume in diesem Jahr davon noch nicht viel zu spüren sein. Im kommenden Jahr aber ist aber mit finanzpolitischen Impulsen von rund 25 Milliarden Euro zu rechnen, die das Bruttoinlandsprodukt um zusätzlich insgesamt 0,8 Prozentpunkte steigern dürften. Dies wird wohl eine leicht stärkere Teuerung nach sich ziehen: Die Inflationsrate dürfte im nächsten Jahr um 2,2 Prozent steigen – nach voraussichtlich 2,1 Prozent in diesem Jahr.

„Mithilfe einer expansiven Finanzpolitik kann sich die deutsche Wirtschaft gegen die negativen Effekte der erratischen US-Handelspolitik stemmen. Sie wird aber dennoch die deutsche Außenwirtschaft längerfristig belasten“, sagt Dany-Knedlik. Der deutsche Außenhandel dürfte auch 2026 auf der Stelle treten. Der allmählichen Belebung der Unternehmensinvestitionen stehen wachsende Handelshemmnisse und eine weiter abnehmende Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen – insbesondere gegenüber chinesischen Produzenten – entgegen.

Positive Impulse gehen vom privaten Konsum aus. Die Konsumstimmung hat sich im ersten Quartal spürbar verbessert, ein Beleg dafür ist die stark gesunkene Sparquote. Getrübt wird die Kauflaune jedoch wohl von den anhaltenden Sorgen um den Arbeitsplatz. Die Arbeitslosenquote dürfte im Prognosezeitraum leicht steigen. Die finanzpolitischen Impulse und die niedrigen Zinsen verbessern aber zunehmend die Investitionslaune.

Erratische Handelspolitik überschattet Weltwirtschaft

Von der positiven Entwicklung in Deutschland im kommenden Jahr dürften auch einige EU-Mitgliedsländer und damit der gesamte Euroraum profitieren. Insgesamt bleibt die Weltwirtschaft überschattet von der US-Zollpolitik. Dies wird wohl am meisten die USA selbst treffen, deren Wirtschaft nach 2,8 Prozent im vergangenen Jahr wohl nur noch um 1,4 in diesem Jahr und 1,6 Prozent im kommenden Jahr wachsen dürfte. Für die globale Wirtschaft wird mit einem Wachstum von 3,3 Prozent in diesem und 3,4 Prozent im kommenden Jahr gerechnet.

Die Ergebnisse dieser Prognose unterliegen erheblichen Risiken. Die US-Handelspolitik mit möglichen Zollerhöhungen ist ein unberechenbarer Risikofaktor, nicht nur für die exportorientierten Länder wie Deutschland, sondern auch für die Finanzmärkte. Trumps angekündigte Steuererleichterungen könnten die Staatsverschuldung in den USA gefährlich erhöhen und Turbulenzen an den globalen Kapitalmärkten auslösen.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher: Deutschland könnte eine beachtliche Erholung erfahren

Neben der Gefahr eines eskalierenden Handelskonflikts mit den USA und Risiken für die Finanzstabilität sieht DIW-Präsident Marcel Fratzscher auch ein drittes Risiko im Inland: eine erneute politische Blockade in Deutschland und Europa. „Die neue Bundesregierung hat viele richtige Signale gesendet, muss nun aber dringend die Haushalte für 2025 und 2026 verabschieden und dabei nicht nur eine klare Zukunftsvision präsentieren, sondern auch interne Konflikte – vor allem bei Steuern und Sozialausgaben – lösen. Der Koalitionsvertrag ist in vielen Punkten vage; die neue Regierung muss sich nun zusammenraufen und einen konsistenten, überzeugenden politischen Zukunftskurs definieren“, so Fratzscher.

Kann die neue Bundesregierung die Weichen richtig und zügig stellen, ist er für die kommenden Jahre zuversichtlich: „Unsere Sommerprognose 2025 sieht einen möglichen Wendepunkt. Die entscheidenden Faktoren für die Zukunft Deutschlands liegen nicht im Ausland, sondern im eigenen Land – in der Frage, ob Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine neue Stimmung des Vertrauens und der Zuversicht schaffen können. Gelingt es der Bundesregierung, ihr Investitionspaket überzeugend umzusetzen, könnte Deutschland 2026 und 2027 eine beachtliche wirtschaftliche Erholung erfahren – auch wenn viele strukturelle und langfristige Herausforderungen weiterhin bestehen bleiben.“

DIW, 13.06.2025

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