Das Bundeskartellamt hat den Erwerb einer zehnprozentigen Minderheitsbeteiligung der Lufthansa an der lettischen Fluggesellschaft airBaltic trotz wettbewerblicher Bedenken freigegeben. Zwar konkurrieren beide Airlines auf mehreren Verbindungen zwischen Deutschland und dem Baltikum bei dünnem Wettbewerb, doch greifen die gesetzlichen Eingriffsmöglichkeiten wegen der geringen Marktumsätze (Bagatellmarktklausel) nicht. Das Amt sieht jedoch einen erheblichen Einfluss der Lufthansa auf airBaltic und warnt vor möglichen kartellrechtlich relevanten Absprachen.

Das Bundeskartellamt hat den beabsichtigten Erwerb einer Minderheitsbeteiligung der Deutschen Lufthansa AG (Lufthansa) an der airBaltic Corporation AS (airBaltic) heute fusionskontrollrechtlich freigegeben.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die geplante Beteiligung löst auf mehreren Flugverbindungen zwischen deutschen Flughäfen und dem Baltikum erhebliche wettbewerbliche Bedenken aus. Die beteiligten Unternehmen stehen auf einigen Strecken in unmittelbarem Wettbewerb zueinander, und alternative Carrier sind dünn gesät. Dennoch mussten wir den Zusammenschluss genehmigen, weil es sich bei den betroffenen Strecken insgesamt gesehen um sogenannte Bagatellmärkte mit sehr geringen Umsätzen handelt. Bei solchen Märkten ist ein Einschreiten des Amtes nicht möglich. In Summe war die Beteiligung damit freizugeben.“

Die Minderheitsbeteiligung in Höhe von zehn Prozent geht mit weiteren Rechten der Lufthansa an der Beschlussfassung der airBaltic einher. Darüber hinaus haben die Fusionsbeteiligten im Jahr 2024 eine deutliche Ausweitung ihrer bestehenden Wetlease-Kooperation, d. h. einer Überlassung von Flugzeugen samt Personal von airBaltic an Lufthansa, vereinbart. Die hiermit verbundenen Zahlungen der Lufthansa sind für die airBaltic von großer Bedeutung. Insgesamt geht das Bundeskartellamt daher davon aus, dass Lufthansa mit dem Erwerb der Minderheitsbeteiligung einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf airBaltic erlangt. Es ist insbesondere zu erwarten, dass airBaltic nach dem Zusammenschluss die Interessen ihrer Minderheitsaktionärin Lufthansa bei ihren Entscheidungen maßgeblich berücksichtigen wird. Allerdings bleiben die Unternehmen rechtlich selbstständig. Direkte wettbewerbswidrige Absprachen und Abstimmungen zwischen den Fluggesellschaften bleiben damit verboten und könnten vom Bundeskartellamt als Kartellvereinbarung aufgegriffen werden.

Gegenstand des Fusionskontrollverfahrens war zunächst die Bewertung einzelner Flugstrecken, wie sie auch nach ständiger europäischer Fusionskontrollpraxis abgegrenzt werden. Dabei kann das Bundeskartellamt nur solche vom Zusammenschlussvorhaben betroffene Flugverbindungen untersuchen, von denen eine Inlandsauswirkung ausgeht. Dies betrifft zahlreiche Flugverbindungen zwischen Deutschland und dem Baltikum.

Auf einer Reihe dieser Strecken stehen die Unternehmen in enger Konkurrenz zueinander, ohne dass es genügend Wettbewerb gäbe. Ein Zusammenschluss von Lufthansa und airBaltic könnte auf diesen Strecken zu wettbewerblichen Problemen führen. In der Fusionskontrolle gilt jedoch die gesetzliche Bagatellmarktklausel. Danach können Zusammenschlüsse nicht untersagt werden, wenn die betroffenen Märkte eine sehr geringe wirtschaftliche Bedeutung haben (Umsatzvolumen im Inland von insgesamt weniger als 20 Mio. Euro). Auf den problematischen Strecken war dies hier der Fall. Auf weiteren Strecken lagen die Untersagungsvoraussetzungen nicht vor.

Für den Bereich des europäischen Wetlease-Geschäfts ist die Vereinbarung zwischen der airBaltic und Lufthansa wettbewerblich unbedenklich. Die Ermittlungen haben gezeigt, dass neben airBaltic zahlreiche alternative Wetlease-Geber und neben Lufthansa auch weitere große Wetlease-Nehmer in Europa existieren, so dass Abschottungswirkungen nicht zu befürchten waren.

Das Vorhaben unterlag der deutschen und nicht der europäischen Fusionskontrolle. Eine Anmeldepflicht bei der Europäischen Kommission würde zusätzlich voraussetzen, dass die Lufthansa die Kontrolle über die airBaltic erwirbt. Dies war hier nicht der Fall. In Deutschland kann schon eine kontrollfreie Minderheitsbeteiligung eine Anmeldepflicht zur Fusionskontrolle auslösen. Eine etwaige Aufstockung der Anteile der Lufthansa an airBaltic in der Zukunft könnte dazu führen, dass die Lufthansa die Kontrolle übernimmt. Dies könnte ein erneutes Fusionskontrollverfahren, dann durch die Europäische Kommission erforderlich machen.

Bundeskartellamt, 30.06.2025

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