
Das Landgericht Leipzig hat einem Facebook-Nutzer eine Entschädigung von 5.000 Euro zugesprochen, weil Meta mit seinen „Business Tools“ in erheblichem Maß gegen die DSGVO verstoßen und die personenbezogenen Daten zu umfassendem Profiling genutzt habe. Die Kammer begründete die hohe Summe mit der massiven, globalen und intransparenten Datennutzung durch Meta sowie dem hohen wirtschaftlichen Wert der Nutzerdaten. Das Urteil stützt sich auf Europarecht und könnte richtungsweisend für zahlreiche weitere Klagen gegen Meta sein.
In der gegen Meta Platforms Ireland betriebenen Klage hat die für Datenschutzrecht zuständige 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig mit Urteil vom 4. Juli 2025 einem Nutzer von Facebook eine Entschädigung wegen Datenschutzverstößen von 5.000 Euro zugesprochen.
Damit, dass Meta mit seinen Business Tools massiv gegen europarechtlichen Datenschutz verstößt, die personenbezogenen Daten zu einem Profiling der Nutzer von Facebook verarbeitet und Meta mit dem Geschäftsmodell der personalisierten Werbung Milliardengewinne einfährt, hat das Gericht die hohe Entschädigungssumme gerechtfertigt.
Meta, Betreiberin der sozialen Netzwerke Instagram und Facebook, hat Business Tools entwickelt, die von zahlreichen Betreibern auf ihren Webseiten und Apps eingebunden werden und die Daten der Nutzer von Instagram und Facebook an Meta senden. Jeder Nutzer ist für Meta zu jeder Zeit individuell erkennbar, sobald er sich auf den Dritt-Webseiten bewegt oder eine App benutzt hat, auch wenn er sich nicht über den Account von Instagram und Facebook angemeldet hat. Die Daten sendet Meta Ireland ausnahmslos weltweit in Drittstaaten, insbesondere in die USA. Dort wertet sie die Daten in für den Nutzer unbekanntem Maß aus.
Das Gericht hat den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens ausschließlich auf Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gestützt, damit auf Europarecht und nicht (wie andere Gerichte in vergleichbaren Fällen) auf das nationale Recht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Das Landgericht Leipzig hat sich dabei auf Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem Verfahren gegen Meta gestützt, in dem es ebenfalls um die Zulässigkeit der Business Tools ging. Da die Verarbeitung personenbezogener Daten besonders umfangreich ist – sie betrifft potenziell unbegrenzte Datenmengen und hat nahezu die vollständige Überwachung des Online-Verhaltens des Nutzers zur Folge – führt nach dem EuGH zu einem Gefühl, dass das gesamte Privatleben kontinuierlich überwacht wird.
Die Höhe des europarechtsautonom auszulegenden Schmerzensgeldes nach Art. 82 DSGVO muss, so das Landgericht Leipzig, über die in der nationalen Rechtsprechungspraxis etablierten Schmerzensgeldbeträge hinausgehen. Bei der Schadensschätzung wurde an den Wert der personenbezogenen Daten zu Zwecken personalisierter Werbung für Meta angeknüpft. Nach dem Bundeskartellamt (Beschl. v. 2.5.2022, Az. B 6-27/21) verfügt Meta im Bereich der sozialen Medien über eines der führenden Werbeangebote. Im Jahr 2021 erzielte Meta bereits 115 Mrd. USD Werbeeinnahmen bei einem Gesamtumsatz von 118 Mrd. USD, sodass die Werbeeinnahmen 97 % vom Umsatz ausmachen. Der finanzielle Wert eines einzigen Nutzerprofils, in dem sämtliche Daten über die Person gespeichert sind, ist auf datenverarbeitenden Märkte enorm. Dass der hohe Wert von Daten auch der Wahrnehmung in der Gesellschaft entspricht, sieht das Gericht durch diverse Studien bestätigt.
Auf eine informatorische Anhörung des Klägers – so wie die meisten anderen Gerichte bislang – hat das Landgericht Leipzig verzichtet. Bei einer Anhörung des Klägers wären keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen, der über die Mitteilung des im Allgemeinen eher diffusen Gefühls des Datenverlusts und der Verunsicherung hinausgeht. Denn es ist ja gerade das Problem der Klagepartei und auch des Gerichts, festzustellen, was konkret Meta mit den Daten macht und noch vorhat. Das Gericht stellt deshalb für eine Mindestentschädigung von 5.000 Euro auf die allgemeine Betroffenheit des aufmerksamen und verständigen »Durchschnitts«-Betroffenen im Sinne der DSGVO ab.
Die Kammer ist sich der Folgen ihrer Entscheidung bewusst. Auch wenn sie dazu führen könnte, dass viele Facebook-Nutzer Klage erheben, ohne einen individuellen Schaden explizit darzulegen, widerspricht dies nicht den gesetzgeberischen Zielen der DSGVO, gerade auch mittels Private Enforcement den Datenschutz vor Zivilgerichten und damit jenseits rein behördlicher Maßnahmen effektiv durchzusetzen.
Aktenzeichen: 05 O 2351/23
Landgericht Leipzig, 04.07.2025