In Mecklenburg-Vorpommern ist eine öffentliche Auseinandersetzung über die Personalausstattung der ordentlichen Gerichtsbarkeit entbrannt. Der Präsident des Oberlandesgerichts Rostock, Kai-Uwe Theede, hat in einer Pressemitteilung auf strukturelle Defizite bei Amts- und Landgerichten hingewiesen und vor erheblichen Folgen für die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats gewarnt. Die Gerichte seien über Jahre hinweg unterbesetzt gewesen – nach Theedes Angaben fehlten allein in der letzten Dekade rund 75 Richterarbeitsjahre.

Besonders problematisch seien die Auswirkungen auf Verfahrenslaufzeiten. In Bausachen müssten Bürgerinnen und Bürger teils bis zu zwei Jahre auf eine erstinstanzliche Entscheidung warten, in Arzthaftungsverfahren sogar bis zu vier Jahre. Auch umfangreiche Strafverfahren würden sich in die Länge ziehen, nicht zuletzt, weil Haftsachen vorrangig behandelt werden müssten und so erhebliche personelle Kapazitäten binden. Theede mahnte: „Der Justizgewährungsanspruch unserer Bürgerinnen und Bürger wird in zeitlicher Hinsicht teilweise arg strapaziert. Das gefährdet das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.“

Justizministerin Jacqueline Bernhardt wies die Kritik in einer eigenen Mitteilung entschieden zurück. Die Einschätzung des Oberlandesgerichts decke sich nicht mit den Daten des Ministeriums. Nach dem bundeseinheitlichen Personalberechnungssystem „PEBB§Y“ sei die ordentliche Gerichtsbarkeit mit einer durchschnittlichen Belastung von unter 100 Prozent pro Stelle „auskömmlich ausgestattet“. Sie verwies auf mehr als 100 Neueinstellungen von Proberichterinnen und Proberichtern seit 2021 sowie eine Verdreifachung der Zahl der Referendare. Auch die Einführung der elektronischen Akte und weitere Digitalisierungsmaßnahmen sollen zur Entlastung beitragen.

Gleichzeitig betonte die Ministerin, dass sie mit den Gerichtsleitungen stets in engem Austausch stehe. So sei etwa im Mai 2025 ein gemeinsamer Antrag auf neun zusätzliche Planstellen für die stark belastete Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolgreich beim Finanzausschuss des Landtags gestellt worden. Bernhardt kündigte an, auch künftig auf Kooperation zu setzen: „Wir arbeiten unter Hochdruck daran, die Justiz von Mecklenburg-Vorpommern für die Zukunft fit zu halten.“

Der Disput offenbart jedoch eine tiefergehende Differenz in der Bewertung der tatsächlichen Arbeitsbelastung. Während das Justizministerium auf statistische Modelle und Einstellungszahlen verweist, mahnt die gerichtliche Praxis einen Abgleich mit den realen Anforderungen an. Ob eine nachhaltige Entlastung gelingt, dürfte maßgeblich davon abhängen, ob diese unterschiedlichen Perspektiven in praktische Reformmaßnahmen münden.

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