
Das Hamburgische Verfassungsgericht hat mit zwei Urteilen die verfassungsgerichtlichen Anträge der Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ gegen Senat und Bürgerschaft als unzulässig bzw. unbegründet abgewiesen. Die Initiative scheiterte mit dem Versuch, die Durchführung und den Ausgang des Volksbegehrens verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen. Laut Gericht fehlt sowohl der Initiative als auch ihren Vertrauenspersonen die erforderliche Antragsbefugnis; zudem wurde das notwendige Unterschriftenquorum nicht erreicht.
Mit dem ersten heute verkündeten Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts (HVerfG 4/24) wurden die gegen den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Hamburgische Bürgerschaft gerichteten Anträge der Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ im Zusammenhang mit dem von ihr beantragten und zwischenzeitlich erfolglos durchgeführten Volksbegehren als unzulässig verworfen. In dem weiteren heute verkündeten Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts (HVerfG 4/25) wurden die gegen den Senat gerichteten Anträge der Volksinitiative und ihrer Vertrauenspersonen in der Hauptsache zurückgewiesen. Damit hat sich auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt (vormals HVerfG 3/25).
Verfahrensgang
Im Februar 2023 zeigten die Initiatoren dem Senat die Durchführung der Volksinitiative an. Im Juli 2023 reichten sie eine Liste mit den von ihnen gesammelten Unterschriften ein (Bü-Drs. 22/12655). Der Senat stellte sodann fest, dass die Volksinitiative zustande gekommen sei, und teilte dies der Bürgerschaft mit (Bü-Drs. 22/12678). Im November 2023 schlug die Volksinitiative der Bürgerschaft vor, die regulär viermonatige Frist für die Befassung für drei Monate zu hemmen. Dem stimmte die Bürgerschaft mehrheitlich zu. Eine weitere vorgeschlagene Fristverlängerung lehnte die Bürgerschaft Ende Februar 2024 ab. Im April 2024 beantragte die Volksinitiative die Durchführung des Volksbegehrens.Dieses wurde im Zeitraum vom 18. Juli bis zum 28. August 2024 durchgeführt. Bereits mit Beschluss vom 2. Juli 2024 (HVerfG 3/24) wies das Hamburgische Verfassungsgericht den Antrag der Volksinitiative auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als offensichtlich unzulässig zurück, der darauf gerichtet war, das Volksbegehren auf einen späteren Zeitpunkt nach den Hamburger Sommerferien zu verschieben (vgl. Pressemitteilung vom 3. Juli 2024). Am 8. Oktober 2024 stellte der Senat fest, dass das Volksbegehren nicht zustande gekommen sei, weil die erforderliche Zahl an Unterschriften nicht erreicht worden sei.
Mit ihrem gegen den Senat und die Bürgerschaft gerichteten Verfahren in der Sache HVerfG 4/24 beanstandete die Volksinitiative die Umsetzung des Volksabstimmungsgesetzes und machte insbesondere geltend, dass die Kombination aus Ferientermin und der fehlenden Möglichkeit der Online-Abstimmung dazu geführt habe, dass ohne Verschiebung der Eintragungsfristen in die Rechte der Volksinitiative eingegriffen worden sei. Mit dem weiteren allein gegen den Senat gerichteten Verfahren in der Sache HVerfG 4/25 wandten sich die Volksinitiative und mehrere Vertrauenspersonen der Volksinitiative gegen die Feststellung des Senats, dass das Volksbegehren nicht zustande gekommen sei.
Inhalt der Entscheidungen
In dem Verfahren HVerfG 4/24 seien die Anträge schon nicht statthaft, da die Initiatoren der Volksinitiative nicht antragsbefugt seien. Der entsprechenden Norm im Volksabstimmungsgesetz sei eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichts, über „die Durchführung des Volksbegehrens“ zu entscheiden, nicht zu entnehmen. Auch könne diese nicht in verfassungskonformer Weise dahingehend ausgelegt werden, dass das Verfassungsgericht wegen der Modalitäten der Durchführung des Volksbegehrens schon im Vorwege angerufen werden könne. Die Zulässigkeit der Anträge ergebe sich auch nicht unmittelbar aus der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Möglichkeiten, Entscheidungen von Senat und Bürgerschaft im Zusammenhang mit der Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheid durch das Verfassungsgericht überprüfen zu lassen, seien im Volksabstimmungsgesetz vollständig und abschließend geregelt. Im Organstreitverfahren seien die Anträge der Volksinitiative gleichfalls nicht zulässig, denn auch insofern fehle der Volksinitiative die Antragsbefugnis. Eine Verletzung von eigenen, durch die Verfassung geschützten Organrechten hätten die Initiatoren nicht geltend gemacht. Insbesondere könnten sie nicht anführen, durch die Ablehnung der zweiten vorgeschlagenen Fristverlängerung in eigenen Rechten verletzt worden zu sein, da das Volksabstimmungsgesetz lediglich ein Vorschlagsrecht vorsehe, dem die Bürgerschaft folgen könne, aber nicht müsse. Aus dem Verfassungsrecht ergebe sich keine Verpflichtung, in einer bestimmten Weise über einen Fristverlängerungsantrag zu entscheiden.
In dem Verfahren HVerfG 4/25 fehle den Vertrauenspersonen der Volksinitiative bereits die Antragsbefugnis, soweit die Anträge im eigenen Namen und nicht als Vertreter des Volksbegehrens gestellt worden seien. Auch sehe das Volksabstimmungsgesetz für einzelne Stimmberechtigte eine Verfahrens- und Ergebniskontrolle von Volksbegehren nicht vor. Ebenso wenig könnten die Vertrauenspersonen eine eigene Antragsbefugnis unmittelbar aus der Verfassung herleiten. Die Verfassung kenne kein „Jedermann-Recht“ im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Überprüfung von Volksbegehren. Ebenso wenig eröffne das von den Vertrauenspersonen bemühte „Verfassungsrecht auf direkte Demokratie gem. Art. 50 HmbVerf“ den Zugang zum Verfassungsgericht für alle Bürgerinnen und Bürger im Zusammenhang mit der Durchführung von Volksbegehren. Schließlich seien die Vertrauenspersonen auch nicht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde antragsbefugt. Denn die Hamburgische Verfassung sehe, anders als andere Landesverfassungen, eine Verfassungsbeschwerde nicht vor. Der Antrag der Volksinitiative, dass das Volksbegehren „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ zustande gekommen sei, sei unbegründet. Das erforderliche Quorum von 65.835 Unterstützern – einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten – sei nicht erreicht worden. Die weiteren Anträge der Volksinitiative seien unzulässig, da die Volksinitiative hiermit erreichen wolle, dass das Gericht den Senat verpflichte, das Volksbegehren unter Beachtung verschiedener Maßgaben durch- bzw. fortzuführen. Das Volksabstimmungsgesetz ermögliche eine solche Antragstellung nicht. Die Zulässigkeit der weiteren Anträge ergebe sich auch nicht unmittelbar aus der Hamburgischen Verfassung. Für ein Organstreitverfahren fehle der Volksinitiative – wie auch in dem Parallelverfahren HVerfG 4/24 – die entsprechende Antragsbefugnis.
Hamburgisches Verfassungsgericht, 04.07.2025