
München, 11. Dezember 2025 (JPD) – Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei verbundenen Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz entschieden, dass ein havarierter Öltanker in der Ostsee sowie seine Ladung vorerst nicht eingezogen oder verwertet werden dürfen. Die Entscheidungen betreffen den Tanker selbst (VII B 81/25) sowie die Ölladung (VII B 80/25) und bestätigen die Anordnung des zuständigen Finanzgerichts.
BFH setzt Einziehung von havariertem Tanker und Öl vorläufig aus
Der betroffene Tanker war auf dem Weg von Russland nach Indien in deutsche Hoheitsgewässer getrieben, nachdem er manövrierunfähig geworden war, und wurde auf die Reede vor Sassnitz auf Rügen geschleppt. Sowohl Schiff als auch Ladung standen im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen der EU. Die Ladung galt bereits nach Art. 3i Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 als sanktioniertes Gut. Das Schiff wurde nach der Havarie durch die Verordnung (EU) 2025/395 in den entsprechenden Anhang XLII aufgenommen, der Schiffe erfasst, die im Verdacht stehen, Sanktionen zu umgehen oder für Spionage- und Sabotageaktionen eingesetzt zu werden.
Das zuständige Hauptzollamt ordnete zunächst die Sicherstellung von Schiff und Ladung an und verfügte später die Einziehung und Verwertung. Die Eigentümer und Charterer legten daraufhin vor dem Finanzgericht Einspruch ein. Dieses ordnete im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung an. Der BFH bestätigte diese Entscheidung, da erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einziehungsmaßnahmen bestehen.
Rechtlich ungeklärt sei unter anderem, ob ein manövrierunfähiges Schiff überhaupt „in die Union verbracht“ wird, wenn es unwillentlich in EU-Gewässer driftet. Zudem sei unklar, ob die Sanktionsbestimmungen auch ein „Verbringen aus der Union“ erfassen. Das Gericht wies außerdem auf völkerrechtliche Aspekte hin, darunter das Nothafenrecht und das Recht auf friedliche Durchfahrt nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen. Hinsichtlich der Ladung ist offen, ob die Ausnahmeregelung des Art. 3s Abs. 3 VO (EU) 833/2014, die gelisteten Schiffen in Notsituationen das Anlaufen eines sicheren Hafens erlaubt, auch das Wieder-Auslaufen des havarierten Tankers samt Ladung umfasst.
Aufgrund dieser offenen Rechtsfragen bleiben Einziehung und Verwertung vorerst ausgesetzt.