
Vor der Entscheidung der Mindestlohnkommission über künftige Lohnsteigerungen steht eine Debatte über die Risiken eines zu starken Anstiegs, etwa auf 15 Euro pro Stunde, wie im Koalitionsvertrag angedeutet. Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten drei Jahren um fast 30 % gestiegen, besonders stark bei Helfern, die oft Mindestlohn beziehen. Ein sprunghafter Anstieg könnte nicht nur zu mehr Arbeitslosigkeit führen, sondern auch Anreize zur Berufsausbildung verringern und das Fachkräfteproblem verschärfen.
Am Freitag will die Mindestlohnkommission verkünden, wie stark der Mindestlohn in den nächsten beiden Jahren steigen soll. Die Kommission steht unter enormem Druck: Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, dass sie eine Anhebung auf 15 Euro je Stunde im Jahr 2026 für möglich halten.
Die Konjunktur schwächelt, die deutsche Wirtschaft leidet unter Unsicherheit, hoher Bürokratie und hohen Kosten. Das zeigt sich auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt: Zwischen Mai 2022 und Mai 2025 hat sich die Anzahl der Arbeitslosen um knapp 660.000 erhöht, das ist ein Zuwachs von 29 Prozent auf über 2,9 Millionen.
Mit Mindestlohn könnten mehr Helfer arbeitslos werden
Dabei sind auch Helfer betroffen, also diejenigen, die einen Beruf anstreben, der keine Berufsausbildung voraussetzt und bei denen es besonders viele Menschen gibt, die Mindestlohn beziehen. In dieser Gruppe gab es zuletzt 296.321 Arbeitslose mehr als noch vor drei Jahren, das entspricht einem Zuwachs von 24 Prozent. Besonders groß war der Anstieg bei Helfern, die im sogenannten Objekt-Personen-Brandschutz-Bereich tätig sind, also beispielsweise als Nachtwache arbeiten: Hier stieg die Arbeitslosigkeit um 31 Prozent, das entspricht 32.000 Arbeitslosen mehr. In landwirtschaftlichen Berufen und im Verkauf liegt der prozentuale Anstieg an Arbeitslosen bei jeweils 29 Prozent (3.920 Betroffene in der Landwirtschaft, 39.062 im Verkauf), in der Lagerwirtschaft (einschließlich Post, Zustellung, Güterumschlag) bei 23 Prozent (43.292 Personen), im Gastgewerbe (Tourismus, Hotels, Gaststätten) bei 22 Prozent (13.488 Personen) und bei den Reinigungsberufen bei 14 Prozent (27.431 Personen).
In allen Bereichen liegen die Löhne oft noch unter 15 Euro pro Stunde. Eine voreilige Erhöhung auf 15 Euro würde hier zu einer Verdrängung von Tariflöhnen führen. Gleichzeitig dürfte sie auch die Anzahl der Arbeitslosen weiter in die Höhe treiben, zumal sich der Lohndruck durch alle Qualifikationen zieht. Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation, die bereits sichtbare Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen hat, dürfte die Zeit vorbei sein, in der Mindestlohnerhöhungen mehr oder weniger spurlos am Arbeitsmarkt vorbeigehen.
Hoher Mindestlohn reduziert Anreize für Berufsausbildung
Hinzu kommt, dass ein zu hoher Lohn für Arbeiten, die keinen Berufsabschluss voraussetzen, den Anreiz zur Berufsausbildung vermindert. Das wäre gerade in der jetzigen Situation, in der immer mehr qualifizierte Baby-Boomer den Arbeitsmarkt verlassen, überaus kontraproduktiv. Das Fachkräfteproblem würde verschärft und unser Wohlstand gefährdet.
Die Mindestlohnkommission hat den Auftrag, eine volkswirtschaftlich vertretbare Gesamtabwägung zu treffen. Dabei muss sie auch die Auswirkungen auf Preise, Löhne und den Arbeitsmarkt berücksichtigen. Das steht im Mindestlohngesetz und sollte von allen politischen Parteien respektiert werden, vor, während und vor allem nach dem Wahlkampf.
IW, 25.06.2025